Geschichtenwerkstätten für Kinder und Jugendliche
Im Juni hat Andreas Schuster mit seinem Gastbeitrag „Kinder und Jugendliche fürs Schreiben begeistern“ eine lose Reihe zum Thema „Schreibwerkstätten mit Kindern und Jugendlichen“ eröffnet. Heute folgt mein „Gegenbeitrag“, der seine Ideen um meine eigenen Erfahrungen ergänzt.
An der Grundschule meiner Töchter gebe ich eine AG unter dem Titel „Geschichtenwerkstatt“. Vorab: Die Rahmenbedingungen sind nicht besonders günstig. Nur eine Schulstunde, die 6., und nicht immer ein geeigneter Raum. Dennoch konnte ich auf diese Weise viele Erfahrungen sammeln, und auch die Schüler der 3. und 4. Klassen haben Freude und erleben Unerwartetes.
Regeln brechen will gelernt sein
Erstaunlich finde ich, wie stark schon so junge Kinder die Regeln, die sie im Deutschunterricht vermittelt bekommen, verinnerlicht haben. Quatsch schreiben, in der Runde wild durcheinander reden oder unvollständige Sätze produzieren – das sind alles Dinge, die am Anfang Überwindung kosten. Umso schöner, wenn im Laufe des Jahres durch diese besonderen Gegebenheiten eine eingeschworene Gruppe entsteht.
Meine Lieblings-Übungen
Auf jeden Fall etwas mit Bewegung! Besonders gut angekommen ist die Strohhalm-Übung. Material: kleine Buchstabenzettel bunt durcheinander auf einem Tisch an der einen Seite des Raumes sowie Strohhalme. Die Kinder werden in zwei Gruppen aufgeteilt, die sich jeweils hintereinander in eine Schlange stellen. Ein längeres Wort wird vorgegeben, zum Beispiel „Geschichtenwerkstatt“. Dann läuft jeweils das erste Kind der beiden Gruppen los und saugt mit seinem Strohhalm ein G an und bringt es zu seiner Gruppe auf der anderen Raumseite. Wenn dies geschafft ist, läuft das nächste Kind los und sucht ein E, saugt es an und bringt es zu seiner Gruppe. So läuft es weiter, bis eine Gruppe das vereinbarte Wort fertig gelegt hat.
Als Schreibanregung eignet sich dieses Spiel allerdings eher, wenn die Kinder irgendwelche Buchstaben für ihre Gruppe holen und die Gruppe aus ihrer Beute hinterher Wörter bildet, die als Reizwörter für eine Geschichte verwendet werden.
Mehr zu dieser Strohhalm-Übung gab es auch in meiner Artikelreihe im Tempest-Autorennewsletter zu Kreativen Schreibspielen und im Blogbeitrag dazu.
Tipp
Karteikarten funktionieren hierbei nicht gut, weil sie zu schwer sind, um über eine Strecke angesaugt zu bleiben.
Beliebte Alternative: Buchstabenkekse
Besonders für eine Vorweihnachts- oder Abschiedsstunde geeignet – dann allerdings ohne Strohhalme, einfach mit den Händen (zum Beispiel mit verbundenen Augen) greifen und für die Gruppe sammeln. Zum Aufräumen am Ende muss da niemand angehalten werden …
Auch sehr beliebt: Fantasiefiguren mit dem Knickzettel-Spiel erschaffen. Dazu gibt es verschiedene Kategegorien (Alter, Name, Beruf usw. sowie Hobbys und verhasste Dinge, typische Kleidung u. ä.). Jedes Kind bekommt einen Zettel und füllt die erste Kategorie aus. Dann wird diese nach hinten geknickt und der Zettel weitergegeben. Das nächste Kind füllt die nächste Kategorie aus (ohne lesen zu können, was das Kind davor aufgeschrieben hat), knickt diesen Teil wieder weg und reicht seinen Zettel weiter. Am Ende hat jeder eine Figur mit Vorlieben, Abneigungen und biografischen Angaben, über die sich prima ein Text schreiben lässt.
Auch zu dieser Übung gab es einen Tempest-Artikel und einen Hinweis im Blog.
Übrigens: Mit „erwachseneren“ Kategorien funktioniert diese Übung auch in anderen Schreibgruppen wunderbar.
Mit den Rory Story Cubes spielen und erzählen Kinder ebenfalls gerne. Dazu gibt es unterschiedlichste Varianten, die ich im Tempest vorgestellt und in einem Blogartikel angerissen habe.
In den unterschiedlichen Bildwürfel-Sets gibt es verschiedenste Motive, die sich für Gemeinschaftsgeschichten oder allein erzählte bzw. geschriebene Texte nutzen lassen.
Was so gar nicht funktioniert hat
Wenn es zu abstrakt wird. Zum Beispiel mit Ecco-Bilderkarten oder Karten aus dem Spiel „Dixit“. Kinder haben zwar viel Fantasie, aber konkrete Vorgaben haben in meinen Gruppen bisher immer besser funktioniert. Zumindest zum Schreiben. Abgedrehte Erzählrunden dazu, was jeder in den Motiven entdeckt oder die Bildkarten in alle Richtungen weiterzumalen, haben/hat wiederum wunderbar geklappt.
Literatur für Schreibwerkstätten mit Kindern
Marion Gay: Türen zur Fantasie. Kreatives Schreiben im Unterricht mit 100 Schreibspielen.
Timo Brunke: 10 Minuten Dings und andere Ideen zum Leben und Schreiben
Georg Maag: Nachts im Mondschein lag auf einem Blatt. Eine Schreibwerkstatt für Kinder (Reihe Hanser)
Silke Heimes: Regenbogenbandwurmhüpfer. Kreatives Schreiben für Kinder und Jugendliche
Christa Hein: Die ganze Welt in einem Satz: Sprach- und Schreibwerkstatt für junge Dichter
Kreatives Schreiben. 111 Übungen (Reclam)
Mehr zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen gibt es im Gastbeitrag von Andreas Schuster sowie in den Interviews mit Petra Plaum, Michaela Pelz, Dr. Birgit Ebbert, Jutta Wilke, Carmen Winter und Alice Grünfelder.
Ich bin immer auf der Suche nach neuen Interviewpartnern! Gerne bei mir melden, wer Kurse, Ferienwerkstätten, Schul-AGs oder in irgendeiner anderen Form mit Kindern und/oder Jugendlichen kreativ schreibt.
4 thoughts on “Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche – meine Erfahrungen”