Gastbeitrag von Andreas Schuster zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen
Kreatives Schreiben kann unser Leben bunter, reicher und vielschichtiger machen. Es ermöglicht uns Selbstreflexion und die Reflexion unserer Lebenswelt. Wieso beschäftigen sich dann nicht viel mehr Kinder und Jugendliche damit?
Schreiben kann auch ganz schön mühselig sein. Vor allem, wenn du als „digital native“ inmitten einer kunterbunten Welt voller Reize aufwächst, die beinahe in jedem Moment deinen Alltag prägt. Zudem wird vielen im Deutschunterricht mit seinen Diktaten und den strengen Regeln der Aufsatzformen die Lust am Schreiben genommen.
Dabei lässt es sich ganz großartig mit Kindern und Jugendlichen schreiben. Allerdings ist es dafür wichtig, manche Besonderheit zu beachten. So wird es leichter, das gemeinsame kreative Schreiben zu einer sowohl vergnüglichen als auch lehrreichen Tätigkeit werden zu lassen.
Ganz egal, ob du Lehrer, Schreibtrainer, Teamer, Leiter von Jugendgruppen, Mama oder Papa bist – setz die folgende Auswahl an Schreibideen ein, um Kinder und Jugendliche erleben zu lassen, wie viel Freude Schreiben macht. Die praktischen Impulse stehen dabei für 10 Thesen zum kreativen Schreiben.
1. Was wärst du als Tier?
Beim Schreiben mit einer Gruppe von Kindern oder Jugendlichen ist die Gruppendynamik immer wichtig, besonders, wenn sich noch nicht alle gut kennen. Diese kleine Übung zeigt, wie ohne viel Schreibaufwand durch bildhafte Sprache ein Miteinander entstehen kann. So hat jeder Lust, sich zu zeigen und etwas über die anderen zu erfahren. Auf spielerische Weise bietet dieser Schreibimpuls einen neuen Zugang des gegenseitigen Kennenlernens. Außerdem ermöglicht er ohne große Hürde eine Diskussion über den Effekt bildhafter Sprache.
Schreibidee:
Diese wunderbar einfache Methode stellt ohne großen Aufwand einen ersten Kontakt zum kreativen Schreiben her. Aufgabe ist es, folgende Sätze zu vervollständigen:
Als Tier wäre ich …
Als Pflanze wäre ich…
Als Gebäude wäre ich…
Alternativ lassen sich selbstverständlich auch weitere Bereiche verwenden. Je ausgefallener die Ebene, auf welche man die eigene Person übertragen muss, umso herausfordernder wird es.
In einer größeren Gruppe kann man die Sätze auf kleine Kärtchen schreiben. Diese werden daraufhin eingesammelt und so wieder ausgeteilt, dass keiner weiß, wer was geschrieben hat.
Nun liest man die Ergebnisse vor und rät gemeinsam, von wem das jeweilige Kärtchen stammt. Im nächsten Schritt lässt sich diskutieren, was darunter verstanden werden kann, wenn z. B. jemand schreibt Als Tier wäre ich ein Kaninchen und was, wenn es heißt Als Tier wäre ich eine Schlange. Und wofür könnte es stehen, wenn jemand als Gebäude ein kleines französischen Schlösschen wäre oder ein Bunker?
These 1: Kreatives Schreiben verbindet.
2. Der Falt-Klassiker
Das Wichtigste am gemeinsamen Schreiben mit Kindern und Jugendlichen ist es, das Ganze nicht zu einer staubtrockenen Angelegenheit werden zu lassen. Momente der Erheiterung sollten nicht nur erlaubt, sondern gefördert werden. Am besten lässt sich dies durch gemeinsame Schreibspiele erreichen, bei denen alle am Ergebnis beteiligt sind und dadurch automatisch Lust bekommen, sich mit diesem auseinanderzusetzen. Die folgende Übung ist ein Klassiker, der diesen Zweck wunderbar erfüllt.
Schreibidee:
Diese bekannte Übung lässt sich am besten in Gruppen ab vier Personen umsetzen. Nach oben hin ist die Teilnehmerzahl offen. Jeder Teilnehmer schreibt die ersten beiden Sätze einer Geschichte auf einen Zettel. Mit jedem Satz fängt er eine neue Zeile an. Es bietet sich an, einen gemeinsamen Titel oder ein Thema für alle Geschichten zu wählen. Dies ist jedoch kein Zwang. Nachdem jeder zwei Sätze geschrieben hat, faltet man das Blatt so, dass nur noch der zweite Satz zu sehen ist. Dann gibt jeder das Papier im Uhrzeigersinn weiter. Nun schreibt wieder jeder zwei Sätze, faltet das Papier so, dass nur noch der letzte Satz zu sehen ist, und gibt das Blatt weiter.
Dies lässt sich theoretisch ewig wiederholen. Die natürliche Beschränkung eines Din-A4-Blattes gibt jedoch einen ganz guten Anhaltspunkt dafür, wann man die Übung beendet, bevor es langweilig wird.
Bei der Auswertung werden die Geschichten laut vorgelesen, Lachen ist vorprogrammiert. Da jeder an mehreren Geschichten beteiligt ist, hat auch jeder Lust zu wissen, wovon die eigenen Sätze nun ein Bestandteil sind. So gehören die Texte am Ende irgendwie allen und keinem. Trotz der Absurdität der entstandenen Geschichten gibt es meist Handlungsfäden und unerwartete Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sätzen. So entsteht eine ganz eigene Komik, die alle gemeinsam herbeigeführt haben. Bei großen Gruppen bietet es sich an, die Ergebnisse in Kleingruppen vorlesen und jeweils einen Text auswählen zu lassen, den man dann in der Gesamtgruppe vorstellt.
These 2: Kreatives Schreiben macht Spaß.
3. Alles, was du im Kopf hast
Kreatives Schreiben kann mit fast allen Themen verbunden werden, mit denen sich Kinder und Jugendliche beschäftigen. Im Unterricht, in Seminaren oder in Freizeitgruppen bietet es uns ein einfaches Tool, um jeden Einzelnen dort abzuholen, wo er gerade steht. In der Didaktik nennt sich das, was dabei geschieht, das „Öffnen des subjektiven Konzepts“. Damit ist gemeint, dass es uns möglich wird, an den bisher gemachten Erfahrungen anzudocken. Das hier vorgestellte Verfahren bewerkstelligt dies auf einfache Weise und ist flexibel anwendbar.
Schreibidee:
Hier geht es darum, alles, was die Teilnehmer zu einem bestimmten Impuls im Kopf haben, aufs Papier zu bringen. Im Sinne des freien Schreibens nimmt man hierzu einen Stift und ein Blatt und schreibt alles auf, was einem einfällt.
Für viele ist es eine Herausforderung, zu glauben, dass dabei wirklich alles erlaubt ist. Es ist also wichtig, deutlich darauf hinzuweisen, dass man den Stift am besten nicht absetzt und einfach immer weiterschreibt, ganz egal, was danach auf dem Blatt steht. Es müssen keine ganzen Sätze sein, einzelne Wörter reichen aus, zur Not sind auch nur Laute erlaubt. Fällt dies besonders schwer, ist es eine Hilfe, einfach das aktuelle Wort zu wiederholen, bis einem ein neuer Gedanke kommt.
Diese Übung ist in vielen Varianten möglich. So lassen sich Bilder, einzelne Wörter, ein kurzes Gedicht, Teile eines Textes, ein Filmausschnitt, ein konkreter Gegenstand und vieles mehr als Schreibimpuls nutzen.
Mit dem Ergebnis lässt sich in ganz unterschiedliche Richtungen weiterarbeiten. So kann es als Ausgangsbasis für einen eigenen Text dienen oder als Ideensammlung und Bestandsaufnahme zu einem Thema, mit dem sich die Gruppe im Folgenden beschäftigt – auch jenseits des kreativen Schreibens.
These 3: Kreatives Schreiben öffnet das subjektive Konzept.
4. Raps und Chats
Kinder und Jugendliche lassen sich als besondere Zielgruppe nicht nur anhand der Themenauswahl berücksichtigen. Auch die Textsorte lässt sich hierzu wunderbar einsetzen. Für manchen mag das Schreiben einer Geschichte bereits vorbelastet sein, der ein oder die andere findet aus einer pubertären Laune heraus vielleicht erst einmal jeden typischen Vorschlag doof. Ein feines Gespür für die einzelnen Teilnehmer und für die Zusammensetzung der Gruppe kann uns auf Textsorten bringen, die keiner der Teilnehmer mit Literatur oder gar den typischen Schreibsituationen aus dem Deutschunterricht assoziieren wird. So wird die Textsorte zur helfenden Hand, die jeden ins Schreiben bringt, ganz egal, wo er steht.
Schreibidee:
Lass deine Teilnehmer Texte schreibe, die auf den ersten Blick wenig mit Literatur zu tun haben, dafür jedoch an die Lebenswelt oder die momentane Gefühlslage anknüpfen. Dabei ist vieles möglich: Rap- oder Popsongs für die Musikfans, Chat-Dialoge für die Handy-Besessenen, ein absurder Entschuldigungsbrief für potentielle Schulschwänzer, eine Protestnote gegen das kreative Schreiben für die notorischen Nörgler der Gruppe, ein Erlebnisbericht vom nächtlichen Computerspielen für die Nerds und vieles mehr.
Je nachdem, wie gut man als Schreibgruppenleiter die einzelnen Teilnehmer kennt, lässt sich die Schreibidee in unterschiedlichen Settings einsetzen. So kann man den einzelnen Teilnehmern einen individuellen Vorschlag machen, alle Textformen als ein Schreibbuffet mit vielfältigen Möglichkeiten anbieten oder nur eine Textform für alle nutzen, wenn dies besser zum Ziel und Aufbau der Schreibwerkstatt passt. Du solltest die Textsorten als Schreibangebot aufbereiten, bei dem den Teilnehmern jeweils Beispiele oder eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Verfügung gestellt werden.
These 4: Kreatives Schreiben knüpft an die Lebenswelt an.
5. Von der Vorgabe zur runden Sache
Die Arbeit mit eigenen Geschichten kann wunderbar genutzt werden, um ein Gefühl für die Stringenz erzählender Literatur zu entwickeln. So wird die Handlung als Grundelement des Erzählens in den Fokus gerückt. Durch das eigene Schreiben entsteht eine Diskussionsgrundlage, um darüber zu sprechen, was hier warum funktioniert und was nicht. Kreatives Schreiben kann so mit motivierender Leichtigkeit eine Diskussion zu Dramaturgie und Plausibilität von Geschichten entfachen.
Schreibidee:
Zuerst wird ein Thema oder ein Titel für die Geschichten festgelegt, die bei dieser Übung geschrieben werden sollen. Dies kann entweder vorgegeben oder von den Teilnehmern selbst bestimmt werden. Daraufhin notiert jeder einen Anfangssatz auf ein Din-A4-Blatt. Dann wird das Blatt im Uhrzeigersinn weitergegeben. Nun folgt der Schlusssatz der Geschichte, der vollkommen unabhängig vom Anfangssatz notiert werden soll. Nun wird das Blatt erneut weitergegeben, am besten nicht direkt zum Nachbarn, da sonst im nächsten Schritt die Ablenkung zu groß wäre. Jeder will schließlich wissen, was mit den eigenen Sätzen geschieht. Nun hat also jeder ein Blatt mit einem Anfangs- und einem Schlusssatz vor sich liegen, die beide nicht von ihm stammen. Die Aufgabe ist es nun, eine Geschichte zu schreiben, die Anfang und Schluss möglichst plausibel miteinander verknüpft. Nach Ablauf einer vorgegebenen Schreibzeit von 10 bis 15 Minuten erfolgt die Auswertung. Da alle gespannt sind, was aus ihrem Anfang bzw. Ende gemacht wurde, bleibt auch hier die Motivation für gewöhnlich erhalten. Anhand der konkreten Beispiele lässt sich nun wunderbar diskutieren, was funktioniert und was nicht und warum manche Handlungsverläufe weniger plausibel erscheinen als andere.
These 5: Kreatives Schreiben vermittelt ein Gespür für Dramaturgie.
6. Das bessere Ende
Durch kreatives Schreiben können Kinder und Jugendliche nicht nur besser schreiben, sondern auch besser lesen lernen. Schreibaufgaben, die an literarische Texte anknüpfen, machen als produktive Verfahren Literatur erlebbar. Die Auseinandersetzung mit fremden Texten wird dabei anhand des eigenen Schaffens intensiviert. So gelingt es, literarische Mittel selbst anzuwenden, anstatt sie nur zu konsumieren.
Schreiben fördert damit genaues Lesen. Wenn wir Texte zu bestehenden Texten schreiben, sind wir gezwungen zu analysieren, wie der Ausgangstext gemacht ist, um an ihn anknüpfen zu können. So gelingt es durch das Schreiben zu literarischen Texten, die sprachliche Form als bedeutungstragend und wesentlich in den Blick zu rücken.
Schreibidee:
Diese Idee basiert auf der vorherigen Beschäftigung mit einer kürzeren Erzählung. Ideal eignen sich dazu Kurzgeschichten. Das Ende wird vor dem gemeinsamen Lesen entfernt, sodass den Teilnehmern nicht bekannt ist, wie die Geschichte ausgeht. Im gemeinsamen Gespräch, möglichst anhand passender Fragen, sollte in einem ersten Schritt die Besonderheit der Geschichte erarbeitet werden. Daraufhin hat jeder die Aufgabe, ein Ende für die Geschichte zu schreiben. Dieses soll sich aus den bisherigen Überlegungen ergeben und entsprechend zu der Geschichte passen.
Im nächsten Schritt wird gemeinsam über die unterschiedlichen Versionen gesprochen und überlegt, wie plausibel sie sind. Wichtig dabei ist es, sich immer wieder auf den Originaltext zu beziehen. Wie ein Detektiv kann man nach Hinweisen suchen, die für die eine oder andere Version sprechen.
Die Auflösung ist dann ein Spannungsmoment. Wie lautet das Ende im Original? Wichtig ist es hier, die eigenen Texte nicht herabzusetzen. Es geht nicht um den einen richtigen Text. Das Original ist eine Möglichkeit unter vielen. Gewinnbringend ist es jedoch darüber zu sprechen, ob sich das Originalende stark von den selbst geschriebenen Versionen unterscheidet. Gibt es Ansätze, die ihm ähneln? Gibt es deutliche Unterschiede? Entscheidend ist es, immer anhand des gesamten Textes zu begründen, was das jeweilige Ende besonders macht, welchen Aspekt des restlichen Textes es aufgreift und inwiefern es dem vorherigen Verlauf entspricht oder widerspricht.
These 6: Kreatives Schreiben fördert die Lesekompetenz.
7. Aus der Perspektive einer Federtasche
Nicht nur das Lesen, auch das eigene literarische Schreiben kann selbstverständlich durch Übungen gefördert werden. Damit erzählendes Schreiben gelingt, ist es unerlässlich, ein Gefühl für die Möglichkeiten des Erzählens zu bekommen. Dieselbe Geschichte kann auf vielfältige Weise erzählt werden. Theoretische und praktische Kenntnisse dieser Möglichkeiten versetzen uns erst in die Lage, beim Schreiben aus einem gewissen Repertoire schöpfen zu können. Die folgende Übung zeigt exemplarisch am Beispiel der Erzählperspektive, wie sich diese Kompetenzen auf unterhaltsame Weise fördern lassen.
Schreibidee:
Gib deinen Teilnehmern die Aufgabe, aus einer besonderen Perspektive zu schreiben. Für den Anfang ist es am einfachsten, ein alltägliches Thema zu wählen, wie z. B. die Beschreibung des eigenen Tagesablaufs. Nur wird dieses Mal aus einem ganz besonderen Blickwinkel erzählt. Am spannendsten ist es, wenn z. B. ein Gegenstand erzählt, da dies weit weg von dem Erzählen ist, das die meisten kennen. Hierzu kannst du deinen jungen Schreibern zur Anregung ein paar Fragen mit auf den Weg geben: Wie bitte sieht dich deine Federtasche? Was sagt sie zu deinem Alltag? Wie denkt sie über deine Freunde und deine Hobbys? Welche Kommentare hat sie für deine schrulligen Lehrer so übrig? Und wie würde dein Schulranzen das Geschehen einschätzen? Wie würde es eine Fussel sehen, die sich auf diesem niedergelassen hat? Perspektiven können vorgegeben werden, z. B. indem man Karten ziehen lässt, auf denen unterschiedliche Gegenstände abgebildet sind, oder man darf frei wählen.
Beim späteren Vorlesen diskutiert die Gruppe, ob die gewählte Perspektive überzeugend umgesetzt wurde. Wenn ja, woran liegt das? Wenn nein, was ließe sich verbessern, damit das Ganze glaubwürdiger wirkt? Auf der Basis dieses Austauschs lassen sich Punkte sammeln, die es zu beachten gibt, um eine Erzählperspektive überzeugend umzusetzen. Die dabei entstehende Liste kann daraufhin als Hilfe beim nächsten Schreibversuch dienen.
These 7: Kreatives Schreiben fördert Erzähl-Kompetenz.
8. Lieber Herr Präsident
Kreatives Schreiben sollte immer an die Lebenswelt der jungen Schreiber anknüpfen, kann jedoch auch weit über diese hinausgehen. Der Phantasie sind beim Schreiben keine Grenzen gesetzt und die üblichen Beschränkungen von Zeit und Raum sind aufgehoben. So können Schreibübungen dazu anregen, einen persönlichen Bezug zu umfassenderen gesellschaftlichen, politischen, philosophischen oder religiösen Fragestellungen herzustellen. Dies kann eine spielerische Auseinandersetzung mit Themen unserer Zeit sowie des Menschseins i. A. befördern. Dabei können tiefgehende Texte entstehen, die dennoch nie trocken werden. Die folgende Schreibidee verdeutlicht am Beispiel des Briefeschreibens diesen Gedanken.
Schreibidee:
Aufgabe ist es, einen Brief an eine berühmte Person zu schreiben und in diesem die eigene Meinung auszudrücken. Es sollte Bezug auf die inhaltlichen Positionen des Empfängers genommen werden, um diese mit den eigenen Einstellungen ins Verhältnis zu setzen.
Als Adressat kann jede beliebige historische oder noch lebende Persönlichkeit dienen. Die Übung wird jedoch besonders fruchtbar, wenn sie in eine thematische Auseinandersetzung eingebunden wird. Wenn der Schreibwerkstatt ein Motto vorangestellt ist, könnte dies dafür ein Anhaltspunkt sein. Auch lässt sich die Übung in vielen Fächern gut in den Schulunterricht einbauen.
Die dabei entstehenden Briefe sind fiktionaler Natur, denn sie sind nicht zum Abschicken gedacht. Die Sprache wird so auf lebendige und interessante Weise als Instrument der Meinungsäußerung und Selbstklärung erlebbar. Kreatives Schreiben macht es möglich, dass der einzelne Mensch in Gedanken mit einer ansonsten unerreichbaren Persönlichkeit in Kontakt tritt. So entsteht eine motivierende Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Weltbildern, Theorien und Lebensweisen.
These 8: Kreatives Schreiben hilft dabei, sich eine eigene Meinung zu bilden.
9. Ballade reloaded
Kreatives Schreiben mit Kindern und Jugendlichen muss sich nicht auf experimentelle Schreibverfahren beschränken. Auch etablierte und traditionelle Formen der Literatur können durch das eigene Schreiben besonders lebendig behandelt werden. Zur Motivation ist es dabei wichtig, aktuelle Themen und Ausdrucksweisen zuzulassen. Zugleich sollte man recht streng auf das Einhalten formaler Merkmale achten, da es ja darum geht, die Gemachtheit der jeweiligen Textsorte zu verstehen. Die formalen Vorgaben lassen sich beim Schreiben wunderbar mit den eigenen Themen der Kinder und Jugendlichen verbinden.
Schreibidee:
Zuerst sollte man mit den Kindern oder Jugendlichen gemeinsam Beispiele zu der gewählten Textsorte lesen. Die Texte sollten zur Zielgruppe passen und motivierend sein, damit das Leseerlebnis idealerweise zum Ansporn für das eigene Schreiben wird. Anhand der gemeinsamen Lektüre wird gesammelt, was die behandelte Textsorte ausmacht. Daran lässt sich das Vorhaben anschließen, einen eigenen Text zu schreiben, der die erarbeiteten Eigenschaften aufgreift.
Besonders geeignet sind hier kürzere literarische Formen wie Kurzgeschichten, Balladen oder Gedichte.
These 9: Kreatives Schreiben fördert literarisches Lernen.
10. Der Auftritt
Natürlich schreibt man erst einmal für sich. Es ist wichtig, Kindern und Jugendlichen den intrinsischen Wert kreativen Schreibens zu vermitteln. Nichtsdestotrotz: Es bietet sich gerade bei jungen Teilnehmern einer Schreibwerkstatt an, auf ein konkretes Ziel hinzuarbeiten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die eigenen Texte zu präsentieren. Findet sich eine geeignete kulturelle Bühne oder Plattform, so bedeutet dies auch eine Anerkennung für die Leistung jedes Einzelnen und das kann ungemein motivieren.
Schreibidee:
Nimm beim Gestalten deiner Schreibwerkstatt mit Kindern und Jugendlichen bereits am Anfang das Ende in den Blick. Was ist das Ziel des Ganzen und wie sollen die Ergebnisse präsentiert werden? Es gibt hierzu viele Möglichkeiten: Man kann Stellwände aufstellen und darauf Ergebnistexte präsentieren, z. B. im Eingangsbereich der Schule, in der Bibliothek oder wo auch immer die Schreibwerkstatt stattfindet. Vielleicht gibt es sogar eine Schülerzeitung oder einen Schulblog? Dann können ausgewählte Texte auf diesen Wegen veröffentlicht werden. Ein besonders motivierendes Ereignis für die Teilnehmer ist auch die Präsentation vor Publikum. Kurze Texte zum Vorlesen lassen sich in Kulturabende integrieren oder in einer gemeinsamen Lesung präsentieren. Eine besonders auf Performance ausgerichtete Möglichkeit besteht in der Veranstaltung eines Poetry-Slams.
Die konkrete Vorstellung davon, was am Ende mit den Texten passieren soll, hilft auch bei der Gestaltung der Schreibwerkstatt selbst. Es ergibt sich daraus, welches konkrete Ziel du verfolgst, welche Art von Texten entstehen soll und welche zeitliche Planung angebracht ist, um die Präsentation erfolgreich vorbereiten zu können. Die Teilnehmer wissen dann, wofür genau sie schreiben, und die Schreibwerkstatt bekommt einen klaren Rahmen. Für viele wird es das erste Mal sein, dass sie mit einem eigenen Text an die Öffentlichkeit gehen. Und manch einen wird das Kreative Schreiben hoffentlich so begeistern, dass es nicht bei diesem einen Mal bleibt.
These 10: Kreatives Schreiben bringt Autoren hervor.
Fazit
So unterschiedlich die vorgestellten Schreibideen sind, sie haben doch eines gemeinsam: Sie berücksichtigen die besondere Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen. Diese sollen sich beim Schreiben auf motivierende Weise mit für sie relevanten Themen beschäftigen. Einen großen Stellenwert spielen dabei immer auch das Soziale und der Spaßfaktor, der aus dem gemeinsamen Schreiben entsteht. Auch sollte die erwartete Textlänge nicht zu lang sein, um die Hürde vor dem Schreiben nicht zu groß werden zu lassen.
Wenn du die Gelegenheit hast, probiere es aus, mit Kindern und Jugendlichen zu schreiben. Überlege dir dabei am besten, was dein konkretes Ziel ist. Geht es dir um den Spaß bei der Sache, um die Gruppendynamik oder um die Schreibkompetenz im engeren Sinn? Nutze die hier genannten Impulse entsprechend, kombiniere die einzelnen Ideen zu einem eigenen Konzept und füge noch weitere Ideen hinzu. Wenn du es schaffst, Kinder und Jugendliche zu begeistern, wirst du durch das Glitzern in ihren Augen, eine ganz besondere Energie und außergewöhnliche Diskussionen belohnt.
Andreas Schuster ist Lehrer, Schreibtrainer und Blogger aus Hamburg. In seinem kostenlosen E-Book „Dein Weg zum Roman“ hat er die besten Schreibtipps erfolgreicher Autoren zu einem praktischen Ratgeber versammelt.
Dieser Gastbeitrag ist der Auftakt zu einer losen Reihe über Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche. Eigene Erfahrungen, Interviews mit anderen Schreibgruppenleitern und Rezensionen zu Schreibratgebern rund um das Thema werden folgen:
Mehr zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen gibt es inzwischen im Artikel über meine eigenen Erfahrungen sowie in den Interviews mit Petra Plaum, Michaela Pelz, Dr. Birgit Ebbert, Jutta Wilke, Carmen Winter und Alice Grünfelder.
- Grafik und Autorenbild: Andreas Schuster
- Titelbild: Esther Merbt auf pixabay
- übrige Fotos: Maike Frie
13 thoughts on “Kinder und Jugendliche für kreatives Schreiben begeistern – Andreas Schuster”