Kreative Schreibspiele

Von Leitern, Launen und Leichen

Was haben stürzende Schlangen und gebildete Würfel mit Leichen im Keller zu tun? Sie alle gehören zu meinen Kreativen Schreibspielen. Denn mit spielerischen Ansätzen die Kreativität hervorzulocken, funktioniert wunderbar. Um diesen Spaß am Ausprobieren zu teilen, erscheint ab dem 20. Juli 2015 im monatlichen Autorennewsletter Tempest eine Artikelreihe von mir dazu: von der Idee über die benötigten Materialien bis zu Beispielen und Erfahrungen aus der Praxis. Hier schon einige Ideen:

Es gibt viele Bücher zum Kreativen Schreiben – über Theorien, darüber, wie es mehr oder weniger berühmte AutorInnen selbst angehen, und über Anstöße, mit denen sich das weiße Blatt füllen lässt. Einige Schreibanregungen tauchen immer wieder auf, weil sie so naheliegend und gut umzusetzen sind: einen Text zu einem Bildmotiv schreiben oder eine Geschichte aus einem vorgegebenen Anfangssatz entwickeln oder … Abseits der vielfach beschrittenen Wege gibt es eine Reihe von weiteren Schreibimpulsen, die man zum Beispiel in der Abwandlung von klassischen Kinderspielen oder in speziell entwickelten Geschichtenerzähl-Materialien findet.

Auch zu Übungen im Sprachunterricht gibt es eine große Menge Literatur. Wie man Vokabeln übt, wie man die Teilnehmern zum Sprechen bewegen kann und … Mein drittes Fachgebiet als Dozentin ist die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Da geht es meistens weniger spielerisch zu, aber auch hier lockern Übungen die eher trockene Theorie auf und helfen den Teilnehmern die Erkenntnisse auf ihre eigenen Fragestellungen anzuwenden.

Am spannendsten finde ich es, Methoden und Anregungen aus allen Bereichen miteinander zu kombinieren – und berichte deshalb an dieser Stelle und im Tempest davon. Viel Spaß beim Ausprobieren!

Roryʾs Story Cubes

Rory's Bilderwürfel: Schreibtipp fürs Kreative Schreiben in der Schreibwerkstatt oder im stillen Kämmerlein9 Würfel, 54 Bilder, 10.000.000+ Kombinationen, unendliche Geschichtenvielfalt! – So preist der Hersteller seine Geschichtenwürfel an. Auf den Würfelseiten ist jeweils ein Bild zu sehen. Damit kann man einzeln oder in der Gruppe Geschichten erzählen bzw. diese Würfel als Schreibanregung nutzen. Der erste Spieler würfelt, schaut sich seine Bilder-Ergebnisse an und beginnt, eine Geschichte zu erzählen, indem er ein Würfelbild aussucht. Dann nimmt er einen anderen Würfel seiner Wahl, ordnet dieses Bild in seine Geschichte ein und erzählt weiter. Und so immer weiter bzw. lässt sich diese Grundidee vielfach variieren:

  • als Fortsetzungsgeschichte mit mehreren Erzählenden
  • mit verschiedenen Würfelsets – es gibt auch welche mit Wörtern statt Bildern darauf –
  • zum Weiterschreiben und -zeichnen
  • mit Zeitlimit

Inzwischen gibt es auch andere Anbieter mit Bilderwürfeln oder Geschichtenwürfeln, wie sie sie nennen, z. B. den Verlag Moses, die Würfel von Rory’s auch als App und … immer entwickeln sich Dinge weiter. Also: neugierig bleiben!

Geschichtenkarten

Geschichten-Erfinder-Karten aus der Edition Büchergilde: Kartenspielerei für Kreative Köpfe in Schreibwerkstätten oder im stillen KämmerleinEin Klassiker unter den Schreibanregungen: Zum Beispiel hat die Büchergilde die Geschichten-Erfinder-Karten. Dabei gibt es Spielkarten in unterschiedlichen Farben, auf denen Anregungen

  • zum Inhalt (Plot),
  • zur Hauptfigur (Protagonist),
  • zum Ort
  • und zu „Special“

notiert und gezeichnet sind. So kann man in unterschiedlichen Varianten gemeinsam oder alleine Karten ziehen und die Anregungen zu Szenen und längeren Geschichten verknüpfen. Man kann zwei Figuren (zum Beispiel einen blinden Detektiv und einen Botschafter eines nicht mehr existierenden Landes) aufeinandertreffen lassen oder man kann eine Figur (einen Gärtner) an einem Ort (ein leerstehendes Museum) platzieren. An einem Ort (zum Beispiel ein Dachboden) kann ein Plot (jemand entdeckt ein Geheimnis) geschehen usw. All das lässt sich jeweils mit einer „Special“-Karte würzen, auf der Ungewöhnliches angegeben ist. Zum Beispiel verschwindet dort ein Ort, geht das Licht nicht mehr an, regnet es rotes Wasser o. Ä. Sowohl mündlich als auch schriftlich zu verwenden!

Und natürlich gibt es auch hierzu viele Alternativen, zum Beispiel aus dem Laurence King Verlag, ein Märchen-Legespiel; “Der Magische Wald” und “Das geheimnisvolle Schloss” sind derzeit nur antiquarisch zu bekommen.

Stadt, Land, Irgendwas

Den Kinderspielklassiker kennt beinahe jeder: Auf einem Zettel wird eine Tabelle angelegt. Fürs Kreative Schreiben bieten sich andere Kategorie als bei der klassischen Variante an, zum Beispiel

  • „Name“ (Wie heißt der Held/die Heldin?),
  • „Ort“ (Wo ist der Held/die Heldin – Stadt/Stelle),
  • „Beruf/Tätigkeit“ (Was hat der Held/die Heldin gelernt bzw. was macht er/sie gerade?),
  • „Lieblingswort“ (Was sagt der Held/die Heldin am liebsten – Redeweise, Sprichwort, Ausdruck o. Ä.)
  • und „Laune“ (Wie fühlt/benimmt sich der Held/die Heldin gerade?).

Einer sagt leise das Alphabet auf, ein anderer sagt irgendwann „Stopp“ – so wird der erste gemeinsame Buchstabe ermittelt. Zu diesem Buchstaben füllen alle möglichst zügig die Felder der einzelnen Kategorien aus. Mit dem „B“ könnten wir zum Beispiel „Bertram“ (Name), „Badewanne“ (Ort), „Bäckereifachangestellter“ (Beruf/Tätigkeit), „Boa hey“ (Lieblingswort) und „brumselig“ (Laune) notieren. Eine solche Runde macht schon alleine Spaß – insbesondere Kinder arbeiten hier bereits schön mit ihrem Sprachwortschatz und haben viel Spaß beim Vorlesen. Je großzügiger die Vorgaben ausgelegt werden, desto lustiger wird die Vorleserunde, wie „Babybreitester“ als Beruf oder „Baumhausbett“ als Ort.

Für bestimmte Genres eignen sich Spezialkategorien, besonders für Kürzestkrimis macht es viel Freude: Trennungsgrund, Mordwaffe, Ausrede fürs Zuspätkommen usw. Unter dem Label “Stadt, Land, Vollpfosten” findet ihr Vorlagenblöcke und ganz viel Inspiration – oder ihr werdet einfach selbst kreativ.

Als Schreibanregung sollte es jedoch noch eine oder zwei weitere Runden – mit jeweils anderen Buchstaben – geben. Nun kommt die Schreibanregung: Die so gefundenen Figuren werden nun in eine gemeinsame Szene geschickt. Ich nutze „Stadt, Land, Irgendwas“ gerne dazu, um Dialoge zu schreiben, indem ich die Figuren(namen) an den Orten mit ihren Launen und Lieblingswörtern aufeinandertreffen lasse.

Leiter-Schlangen-Würfelspiel

Materialien für Kreative Schreibspiele aus Muensters SchreibwerkstattDiese Variante des klassischen Gänsespiels vereint die vorgestellten Schreibanregungen. Damit kann jeder ein Geschichtengerüst entwickeln, dass sich danach zu einer Kurzgeschichte ausbauen lässt. Auf einem Spielplan gehen die Mitspielenden nach Würfelaugen voran. Zu den Feldern, die sie erreichen, gibt es eine Liste mit Fragen, die sie beantworten müssen. Erreicht man ein Leiterfeld, darf man über die Leiter nach oben klettern, durch eine Schlange rutscht man wieder ein paar Felder nach unten.

So kann man in einem Namensbuch eine Hauptfigur – mit zum Namen passenden Charakterzügen – finden. Durch die Geschichtenkarten findet man einen Ort. Aus dem Raum, in dem gespielt wird, wählt man ein Accessoire aus, das im Text vorkommen soll. Vorgegebene Anfangs- und Endsätze aus (berühmten) Romanen, von denen jeweils einer blind gezogen wird, schaffen den Rahmen für den eigenen Text.

Daraus – ebenso wie aus allen vorgestellten Spielanregungen – ergeben sich die spannendsten, lustigsten und erstaunlichsten Geschichten, egal wie (un)erfahren oder skeptisch die Beteiligten vorher waren!

Übrigens hat auch der Spiegel eine Übersicht über schöne Erzählspiele zusammengestellt.

Habt ihr Lust, diese und andere (spielerische) Schreibanregungen mal „live“ und mit erfahrener Anleitung auszuprobieren? Dann schaut bei Münsters Schreibwerkstatt nach den nächsten Terminen.

Im Blog wird es weiterhin Tipps und Infos rund ums Kreative Schreiben geben. Mit dem maximal monatlich erscheinenden Newsletter bleibt ihr auf dem Laufenden.

Welche Spiele habt ihr schon als Schreibimpuls ausprobiert? Erzählt in den Kommentaren davon; ich lerne immer gerne Neues kennen!

5 thoughts on “Kreative Schreibspiele

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