Mit Nudelvögeln und Straßenpuppen fabulieren – Michaela Pelz zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen

Der Texttreff ist das Netzwerk wortstarker Frauen. Dort habe ich auch Michaela Pelz getroffen, die als Moderatorin auf jeden Fall wortstark ist. Sie hat mir meine Fragen zu ihren Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche beantwortet:

Ein paar Worte zu dir, Michaela: Was arbeitest du, was begeistert dich – auch unabhängig von Schreibwerkstätten?

Ich arbeite als Texterin, führe Interviews, verfasse Artikel und Rezensionen. Außerdem bin ich als Moderatorin von Lesungen und Diskussionen unterwegs, hauptsächlich im Bereich Krimi. Da ich auch Gutachten für eine Produktionsfirma schreibe und in diversen Krimipreis-Jurys sitze, lese ich ziemlich viel. Und das immer noch gern 😉. Neben meiner wirklich wunderbaren Familie (Mann, Sohn und Tochter) habe ich ein Ehrenamt, an dem mir viel liegt und für das ich zum Glück auch Zeit finde: Als Hospizbegleiterin gehe ich einmal die Woche für einige Stunden auf die Palliativstation unseres Krankenhauses und halte Vorträge in Schulen.

 

Wo und in welchem Rahmen bietest du Schreibworkshops für Kinder und Jugendliche an? Für welche Altersgruppe?

Michaela Pelz Schreiben mit Kindern und JugendlichenSeit einigen Jahren veranstalte ich zusammen mit einer Freundin im Rahmen des örtlichen Ferienprogramms ganztägige Workshops für altersgemischte Gruppen. Die jüngsten Teilnehmenden sind 7 Jahre, die ältesten 14 Jahre alt.
Ein weiteres Standbein sind meine Kurse für Grundschulkinder, nach Klassenstufen getrennt. Die biete ich immer dann an, wenn mich Lehrkräfte dafür buchen. Entweder in den Räumlichkeiten der Schule oder auch mal in einer Jugendherberge während einer Klassenfahrt mit literarischem Schwerpunkt, zum Beispiel in Donauwörth, gemeinsam mit meiner geschätzten Kollegin Petra Plaum.
Darüber hinaus finden regelmäßig Schreib- bzw. Geschichtenprojekte in der Grund- und Mittelschule statt, in der ich mehrmals in der Woche im Offenen Ganztagsbereich arbeite.
Auch in einer großen Stadtbücherei konnte ich schon mehrfach Kurse für Fünft- bis Achtklässler anbieten, allerdings ging es da schwerpunktmäßig eher ums Präsentieren und Vortragen.

 

Gibt es eine Lieblings-Übung, die immer wieder besonders gut ankommt?

Das „Wörterpuzzle“ sorgt bei allen Altersgruppen immer für viel Erheiterung. Dabei liegen mehrere Dutzend verdeckte Begriffe auf dem Tisch, von denen es zwei zu ziehen und das so entstandene Doppelwort zu erklären gilt. Mit gespielt ernster Miene oder unter großem Gepruste wird dann zum Beispiel ein perfektes „Büchernest“ beschrieben, die Gattung der „Nudelvögel“ beschrieben oder das Schicksal der ihren bösen Besitzern entlaufenen „Straßenpuppen“ geschildert.

Schreiben mit Kinder_Inspiration draußen finden_Michaela PelzMein zweiter Favorit ist ein Draußen-Spaziergang der ganz besonderen Art: Miteinander sprechen ist verboten, stattdessen sollen alle notieren, was sie sehen, hören, riechen und fühlen. Mindestens eines dieser Elemente soll dann später in eine Geschichte eingebaut werden. Vorher präsentiert aber jede/r seine „Fundstücke“, am besten unmittelbar nach der Rückkehr. Dabei ist es absolut verblüffend, wie unterschiedlich eine identische Strecke und die gleichen Umweltreize von verschiedenen Personen wahrgenommen werden und was dabei herauskommt – „Ich roch den Sommer und ich fühlte Freude“ oder „Ich fragte mich, welche Geschichte hinter der Hecke steckt“.

Hast du Tipps für Einsteiger, die neu als Schreibgruppenleiter anfangen wollen? Wie kommt man an Gruppen?

Am besten das Ganze mit einer kleinen Gruppe einmal ausprobieren – eigene oder Nachbarskinder eignen sich dazu besonders gut. Auch im Rahmen der örtlichen Ferienspiele kann man einmal eine Veranstaltung anbieten – das ist allerdings meist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Hat man auf diese Weise ein paar Referenzen gesammelt, kann man das endgültige Kurs-Angebot schriftlich formulieren und damit bei Schulen sowie Trägern von Ganztagsangeboten oder Mittagsbetreuungen vorstellig werden. Weitere Anlaufstellen sind VHS sowie die Bildungswerke. Vielleicht findet sich sogar ein Partner, der bereits im Bereich von Schreibkursen aktiv ist.

 

Worauf muss man beim Vorbereiten von einzelnen Übungen bzw. ganzen Schreibworkshops besonders achten?

Das spielerische Element darf nie zu kurz kommen. Spaß gehört zum Programm. Bewegung auch. Teilweise malen wir die einzelnen Szenen oder spielen Theater, um Dialoge zu erarbeiten.
Wichtig bei allem: „Wir lachen immer MITeinander und NIE!!!! übereinander!“
Gleich zu Beginn sollte man festlegen, dass es keine Limits für die Fantasie gibt.
Hilfreich, gerade bei den ganz jungen AutorInnen in spe: Statt die Kinder alles selbst aufschreiben zu lassen, dürfen sie mir den Text in den Computer diktieren. Ungefiltert. Die Überarbeitung findet erst im zweiten Durchgang statt – manchmal allein, manchmal mit Hilfe der Gruppe.
Gemeinschaftsgeschichten sind ein guter Icebreaker, bevor jedes Kind beginnt, sein eigenes Werk zu verfassen:
Jede/r formuliert einen Satz, der auf die Worte des Vorgängers aufbaut und direkt in den Rechner getippt wird. Bei der unmittelbar im Anschluss durchgeführten Überarbeitung sucht die Gruppe nicht nur nach Synonymen und unterschiedlichen Satzanfängen, um die Geschichte abwechslungsreicher und spannender zu gestalten, sondern achtet auch auf Plausibilität und Abfolge der Ereignisse.

Was nehmen die Kinder aus diesen Schreibwerkstätten mit? Warum hältst du solche Projekte für wichtig?

Ein Punkt, der für mich persönlich von großer Bedeutung ist:
Neben der Freude am Schreiben (ich bevorzuge den Begriff „Fabulieren“ oder „mit Sprache spielen“) sollen die Mädchen und Jungen Selbstvertrauen beim Sprechen vor einer Gruppe entwickeln. Deswegen müssen alle immer wieder aufstehen und laut etwas vortragen. Um ihnen die Hemmungen zu nehmen, besteht die Auftaktübung darin, ein Kindergedicht in einer Fremdsprache zu lesen, die niemand aus der Gruppe beherrscht (finnisch zum Beispiel oder estnisch – der Arche-Kinderkalender eignet sich dazu ganz wunderbar). Die anderen dürfen währenddessen überlegen, was wohl das Thema sein könnte.
Am Ende steht stets das Ziel, den Kindern ihre eigenen kreativen Fähigkeiten bewusst zu machen und ihnen zu zeigen, dass diese absolut nicht mit Schulnoten in Verbindung stehen. Auch jemand, der Schwierigkeiten mit Rechtschreibung und Grammatik hat, kann superspannende Storys ersinnen und sie dann auch noch passend präsentieren.
Wenn dann am Ende des Kurses (etwa bei den Schulworkshops) sogar eine kleine Broschüre steht, in der alle entstandenen Geschichten und Bilder zusammengefasst sind, ist dies oft viel mehr als nur eine Erinnerung an ein paar kurzweilige Stunden in Gemeinschaft, bei denen teilweise nach Herzenslust herumgesponnen wurde.
Vielmehr hat man damit den greifbaren Beweis, was alles in diesen Jungen und Mädchen steckt.
Und, wer weiß? Vielleicht ist das für die eine oder den anderen sogar der erste Schritt in eine Schriftsteller-Karriere? Die Links zu einschlägigen Wettbewerben werden auf jeden Fall immer gern genommen … (zum Beispiel auf der Autorenwelt zu finden)

 

Ganz herzlichen Dank, liebe Michi, für deine Antworten. Auf dass überall Kinder und Jugendliche solche wunderbaren Schreibwerkstätten genießen können!

Mehr zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen gibt es im Gastbeitrag von Andreas Schuster und im Artikel über meine eigenen Erfahrungen sowie in den Interviews mit Petra Plaum, Carmen Winter, Dr. Birgit Ebbert, Jutta Wilke und Alice Grünfelder.

5 thoughts on “Mit Nudelvögeln und Straßenpuppen fabulieren – Michaela Pelz zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen

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