Der kreative Umgang mit Sprache macht Spaß! Jutta Wilke über das Schreiben mit Kindern und Jugendlichen

Der Texttreff ist das Netzwerk wortstarker Frauen. Dort habe ich auch Jutta Wilke getroffen, die als Autorin auf jeden Fall wortstark ist. Sie hat mir meine Fragen zu ihren Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche beantwortet:

Ein paar Worte zu dir, liebe Jutta: Was arbeitest du, was begeistert dich – auch unabhängig von Schreibwerkstätten?

Jutta_WilkeIch bin Kinder- und Jugendbuchautorin und dementsprechend begeistert mich auch alles rund ums Kinder- und Jugendbuch. Ich schreibe für eine Vielzahl von Verlagen (u.a. Coppenrath, Oetinger, Sauerländer, Fischer) für eigentlich Kinder und Jugendliche jeder Altersgruppe, d.h. angefangen von Bilderbüchern für die ganz Kleinen über Erstlesebücher und Bücher fürs Grundschulalter bis hin zu Romanen für Jugendliche und junge Erwachsene.

Wo und in welchem Rahmen bietest du Schreibworkshops für Kinder und Jugendliche an? Für welche Altersgruppe?

Picknick und Schreibkurs 027 (3)_Jutta Wilke_kleinIn erster Linie gehe ich mit meinen Workshops direkt in die Schulen, dort biete ich sie an ab der 5. Klasse bis hin in die Oberstufe. Ich biete auch Kurse für Erwachsene an, die finden dann bei mir zu Hause statt. Auch in Bibliotheken, z.B. der Kinderbibliothek Mannheim, habe ich schon Schreibwerkstätten für Kinder geleitet oder ich veranstalte entsprechende Workshops zusammen mit Jugendbildungszentren oder anderen Veranstaltern, die mich dann buchen.

Gibt es eine Lieblings-Übung, die immer wieder besonders gut ankommt?

utta Wilke_Schreiben mit Kindern und Jugendlichen_kleinIch starte jeden Workshop mit einer kleinen Abwandlung der sogenannten „Morgenseiten“, d.h. ich lasse die Kinder gleich zu Beginn der Stunde etwa 5 – 10 Minuten einfach ihre Gedanken aufschreiben, so wie sie ihnen in den Kopf kommen. Einzige Regel hierbei ist: Es darf nicht mit dem Schreiben aufgehört werden, der Stift darf nicht abgesetzt werden und niemand liest beim Nachbarn rechts oder links mit. Der Kopf wird einfach leer geschrieben, selbst wenn man zwanzigmal schreibt „mir fällt nix ein, mir fällt nix ein, was soll der Blödsinn, mir fällt immer noch nix ein“ ist das okay. Der Text wird hinterher weggeworfen, er dient wirklich nur dazu, in den Schreibfluss zu kommen. Den Kindern macht das unglaublich viel Spaß, weil sie a) wirklich alles schreiben dürfen und sie b) schon nach wenigen Minuten ein Blatt vollgeschrieben haben. Selbst Kinder, die sonst keine drei Wörter hintereinander aufs Papier bringen, verlieren so die Angst vor dem leeren Blatt.

Hast du Tipps für Einsteiger, die neu als Schreibgruppenleiter anfangen wollen? Wie kommt man an Gruppen?

Ich habe mir damals einige Konzepte überlegt und diese bei den örtlichen Volkshochschulen vorgestellt. Das hat sehr gut funktioniert, weil mein Argument, dass es fast an allen VHS Kurse im Malen, Singen, Tanzen und Basteln gibt, aber eigentlich nie im Kreativen Schreiben für Kinder und Jugendliche, fast immer sofort überzeugt hat. Der Vorteil: Die Werbung und Organisation liegt dann bei der VHS und man kann sich zunächst einmal auf seine Inhalte konzentrieren.

Worauf muss man beim Vorbereiten von einzelnen Übungen bzw. ganzen Schreibworkshops besonders achten?

schreibwerkstatt_2015_Jutta WilkeIch achte vor allem darauf, dass der Fantasie der Kinder keine Grenzen gesetzt werden. Wenn die Geschichte über den Regenwurm damit enden soll, dass ein Meteor auf die Erde knallt, dann tut er das eben. Wir schreiben viele lustige Sachen, z. B. Liebesbriefe an Haushaltsgegenstände oder fröhliche Urlaubskarten aus abscheulichen Gegenden, die ich den Kindern in Form von Fotos vorlege. Die Kinder sind die Autoren. Ich sehe mich eher als die Muse, die sie sanft in die richtige Richtung schubst und ihnen die Türen zur Fantasie aufstößt, als dass ich ihnen vorbeten würde, was sie schreiben müssen.

Was nehmen die Kinder aus diesen Schreibwerkstätten mit? Warum hältst du solche Projekte für wichtig?

Die meisten Kinder nehmen vor allem die Erfahrung mit, dass der kreative Umgang mit unserer Sprache tatsächlich Spaß machen kann und nicht so trocken ist, wie es ihnen im Deutschunterricht meistens vorkommt. Es ist herrlich, wenn selbst Kinder, die bisher noch nie freiwillig eine Geschichte geschrieben oder gar vorgelesen haben, plötzlich mit leuchtenden Augen eigene Helden erfinden und diese von einer Katastrophe in die nächste schicken.

Ich habe selbst fünf Kinder, die ich mehr oder weniger intensiv durch die Schule begleite bzw. begleitet habe. Eine ganz typische Deutschhausaufgabe sieht so aus: Schreibe eine Geschichte zu dem Thema XY. Schreibe 150 Wörter. Achte darauf, dass du 5 Sätze mit Konjunktionen einbaust. Außerdem soll die Geschichte wörtliche Rede enthalten. Unterstreiche alle Redebegleitsätze rot. Unterstreiche die Dativobjekte grün.

Ganz ehrlich – wo sollen da noch spannende und lustige Geschichten herkommen? Mit solchen Vorgaben könnte ich kein einziges Kinderbuch mehr schreiben.

 

Ganz herzlichen Dank, liebe Jutta, für deine Antworten. Auf dass überall Kinder und Jugendliche solche wunderbaren Schreibwerkstätten genießen können!

Herzlich gerne und vielen Dank auch an dich für dieses Interview. Ich wünsche mir in allen Schulen das Schulfach „Kreatives Schreiben“, aber bis dahin ist es wohl noch ein langer Weg. Alternativ habe ich inzwischen angefangen, meine Erfahrungen auch in Form von Fortbildungsveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer weiterzugeben.

 

Mehr zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen gibt es im Gastbeitrag von Andreas Schuster und im Artikel über meine eigenen Erfahrungen sowie in den Interviews mit Petra Plaum, Michaela Pelz, Dr. Birgit Ebbert, Carmen Winter und Alice Grünfelder.

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