Vor ein paar Jahren hat Eva-Maria Lerche den Schreibraum Münster gegründet. Sie hat damit einen schönen Ort zum Schreiben ganz zentral in der Nähe des Ludgeriplatzes geschaffen. Seit wir uns kennen, arbeiten wir auch gerne bei Projekten zusammen und darf ich für meine eigenen Schreibwerkstätten ihren inspirierenden Kreativraum nutzen.
Liebe Eva, was war deine Idee hinter dem Schreibraum Münster?
Ich wollte einen Ort zum Schreiben schaffen, den ich selbst gestalten und einrichten kann, der nicht wie ein typischer Seminarraum aussieht und trotzdem oder gerade deshalb zum konzentrierten Arbeiten und Schreiben einlädt. Ich habe viele Jahre an einer ziemlich abgewrackten Uni gearbeitet, da ersticken schon die grauen Räume jede Kreativität und jeden klugen Gedanken. Und aus dieser Erfahrung weiß ich auch, dass Schreiben für viele mit negativen Erinnerungen an Schule oder Hochschule verbunden ist. Gerade Studierenden und Promovierende scheitern dann am Schreiben, obwohl sie richtig helle Köpfe sind. Mir ging es darum, ein Workshop- und Coachingangebot zu schaffen, das bewusst außerhalb der öffentlichen Bildungseinrichtungen angesiedelt ist und neue Schreiberfahrungen ermöglichst.
Wie bist du auf den Namen gekommen?
Ich glaube, dass die Wirkung von Räumen gerade auch auf unsere Kreativität oft unterschätzt wird. Mir ging es darum, einen Raum zum Schreiben zu schaffen, in dem (innere) Kritiker nichts verloren haben. Das Wort Schreibraum steht dafür.
Welche Kurse oder Workshops bietest du an?
Im kreativen Schreiben ist mein Steckenpferd das Kurzkrimi-Schreiben und das Schreiben für sich selbst und für die Seele, z. B. beim Schreibrausch, einem Jahreswechselschreiben kurz vor Silvester. Im beruflichen Schreiben biete ich Workshops für die eigene Webseite und für Marketingtexte an, vor allem für Soloselbständige. Dann gibt es aktuell eine Schreibgruppe für Dissertationen und eine für Sachbücher. Und die monatlichen Textmeilen sind ein offener Schreibtreff, um loszuschreiben und am Ende Friendly Feedback einzusammeln. Und dann teste ich immer mal wieder Neues aus. Im Juni wird erstmals eine Weiterbildung zum Schreiben als Methode für Berater*innen und Trainer*innen stattfinden. Außerdem entdecke ich gerade aufgrund der Corona-Krise die Chancen von Online-Formaten. Tatsächlich können auch virtuell kreative Räume entstehen. Und, um hier nochmal den Netzwerk-Gedanken aufzugreifen: Ich erlebe in der Schreibdidaktik-Szenze einen ganz lebendigen Austausch, eine große Bereitschaft, Erfahrungen zu teilen, sich zum Üben und Ausprobieren zu verabreden und gemeinsam produktiv mit der Situation umzugehen.
Was bringt Schreibenden der Besuch einer Schreibwerkstatt?
Nach der Rückmeldung der Teilnehmenden gehen sie inspiriert und motiviert, mit Wissen, praktischen Methoden und Schreibstrategien und oft mit ersten Texten raus. Wer in den Schreibraum kommt, schafft es, loszuschreiben, egal wie groß die Hürden vorher waren.
Gibt es Lieblingsthemen bei deiner Arbeit als Schreibcoachin?
Ich freue mich immer, wenn ich sehe, wie sich die Schreibenden entwickeln, Vertrauen in ihr Schreiben aufbauen, Hürden überwinden, die Begeisterung für ihre Themen (wieder) spüren. Von den Schreibphasen mag ich am liebsten den Klärungs- und Strukturteil: Worum geht es, was ist der Fokus, die Fragestellung, das Ziel des Textes? Aber neben dieser Arbeit auf der Prozessebene ist es auch toll, an Texten zu arbeiten und zu feilen und dann zu sehen, wie Friendly Feedback die Schreibenden beflügelt.
Warum ist dir der Netzwerk-Gedanke so wichtig?
Ich habe jahrelang an Universitäten, in einem per es stark kompetitiven System gearbeitet und das als sehr zerstörerisch erlebt. Und dann gab es dort immer diese kleinen Nischen der Schreibdidaktik-Szene, in der viele versucht haben, kollegial und kooperativ zu arbeiten, Wissen und Erfahrung zu teilen. Das hat geprägt und diese Netzwerke bestehen weiter und bereichern. Und jetzt in der Selbständigkeit sehe ich täglich, dass Zusammenarbeit allen hilft, es ist ein Geben und Nehmen. Und durch den Austausch wissen wir auch, was die anderen machen und können uns dann abstimmen, wer welche Bereiche abdeckt. Wenn du z. B. stärker auf der Textebene unterwegs bist und ich stärker auf der Prozessebene arbeite, ergänzt sich das wunderbar, ohne dass wir uns etwas wegnehmen würden. Und zuletzt: Ich bin immer wieder so begeistert, wenn ich sehe, was andere Menschen so alles machen, die Begegnungen inspirieren, stärken und helfen, selbst in Bewegung zu bleiben und sich immer weiter zu entwickeln.
Was arbeitest du sonst noch so in deinem schönen Büro?
Der Schreibraum ist mein Traum, den ich mir erfüllt habe. Aber ein Großteil meiner Einnahmen kommt derzeit noch durch Inhouse-Workshops und Lehrveranstaltungen an Hochschulen. Die bereite ich dann im Schreibraum vor. Und Wissenschaftslektorat und Texten für berufliche Kontexte gehört auch noch zum Angebot. Und außerdem singe ich leidenschaftlich gerne, und das geht hier besser als in meiner hellhörigen Wohnung.
Liebe Eva, ganz herzlichen Dank für deine Zeit und deine Antworten! Ich freue mich schon auf die nächste Gelegenheit, wieder gemeinsam mit dir zu schreiben.
Unsere beiden großen gemeinsamen Projekte im Jahr sind die Textperimente im Kreativ-Haus, immer im Frühling und zusammen mit mehreren anderen Kreativ-Dozentinnen, und der Schreibmarathon im November. Mehr darüber könnt ihr in diesen Blogartikeln lesen:
- Textperimente 2018 – Ausblick
- Textperimente 2018 – Rückblick
- Textperimente 2019 – Ausblick
- Textperimente 2019 – Rückblick
- Textperimente 2020 – Ausblick
- Schreibmarathon 2018 – Ausblick
- Schreibmarathon 2019 – Ausblick
- Schreibmarathon 2019 – Rückblick
Mehr über unsere Zusammenarbeit – auch mit der Autorin Katja Angenent – erzählen wir im Interview mit dem Alumni-Magazin der Uni Münster.
Fotorechte: Eva-Maria Lerche