Kürzestgeschichte: 42,1975

Unser Marathon hatte zwar nur 30 Tage, aber auf 42,195 sind wir dennoch bei allem Möglichen gekommen: Tassen Tee pro Tag zum Beispiel. Und da ich das NaNoWriMo-Ziel verpasst habe, waren es bei mir am Ende 42.195 Wörter, die im November in meiner aktuellen Schreibdatei gelandet sind.

Abschlusslesung im Schreibraum

Und dieser Text. Mit ihm habe ich die Abschlusslesung vom 2. Kreativen Schreibmarathon eröffnet, Katja Angenent hat den kurzweiligen Abend moderiert, Eva-Maria Lerche, unsere Schreibraum-Gastgeberin, hat ihn mit ihrer Geschichte um einige tote Waldarbeiter beendet. Dazwischen gab es spannende, unterhaltsame, nachdenklich stimmende, komische und historische Texte von unseren Teilnehmerinnen.
Für uns war es ein toller Monat – auf die Neuauflage 2020 freuen wir uns schon sehr.

Sportlich, sportlich

„42,195“, sagt sie.
Zeitungsrascheln von der anderen Tischseite.

“Also, jetzt, wo du so gespannt nachfragst: mit dem Fahrrad. Am Kanal entlang hab ich die Kilometer geschafft.“
„Schön.“
„Da sind ja so viele Leute unterwegs. Schon beinahe anstrengend, die alle zu grüßen.“
„Hmm.“
8.42 Uhr. Sie legt ihm die Post hin.
„Die Ilse hab ich gesehen, aber an der bin ich nur vorbeigedüst, hatte keine Lust, mir wieder anzuhören, wie unordentlich die Blumendeko beim letzten Gottesdienst war. Der Werner hat einen neuen Hund, aber wenn du mich fragst, der ist vollkommen überfordert mit dem. Irish Setter oder so, der ist eher mit dem Werner spazieren gegangen als umgekehrt.“
Die Kaffeetasse klirrt, als sie schräg auf der Untertasse abgestellt wird.
„Aber bei Enzo hab ich angehalten. Der hatte schließlich extra auf mich gewartet. 42,195 Minuten lang. Musste ja erst noch die Akte bei dir vorbeibringen, bevor ich losgekommen bin.“
„Ah, ja.“
„Wir kennen uns jetzt schon so lang, hat der Enzo gesagt, 42,195 Tage. Da könne er nicht mehr länger warten, hat er gesagt. Bei dem geht eben alles ein bisschen schneller. Also, mit den Entscheidungen. Wir also rein in die Scheune und … na, das hat zum Glück ein bisschen länger gedauert als deine üblichen 4 Komma irgendwas Minuten.“
„Fein.“
„Glückwunsch, übrigens. Du hast heute den Marathon mit mir hinter dich gebracht. 42,195 Jahre.“
„So, so.“
Der Sportteil ist fertig.
„Für einen Ultralauf sind wir zu alt, finde ich. Für anderes nicht.“
Sie schenkt Kaffee nach.
„Ich verlasse dich.“
„Hmm.“
Sie betrachtet die Lichtreflexionen auf der Klinge des Brieföffners in ihrer Handfläche. Verlassen ist anstrengend, denkt sie. All der Papierkram und das Sachen-Aufteilen. Vergiss die Komma-eins-neun-fünf, denkt sie. 42 ist die Antwort auf alles. Und es muss ohnehin ein Sprint sein, wenn es klappen soll, kein Marathon. Sie stellt sich neben ihn und hebt den Arm.

Foto: Katja Angenent

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