Pia Helfferich übers Schreiben mit Kindern und Jugendlichen

Meine Tochter schreibt gerne Geschichten. Das freut mich sehr. In den letzten Sommerferien hat sie an einem Schnupperwochenende zum Kreativen Schreiben für GrundschülerInnen teilgenommen. Im Kulturgut Haus Nottbeck traf sie auf Kursleiterin Pia Helfferich – und war begeistert. Begeistert bin ich darüber, dass Pia Helfferich meine Frage rund um ihre Schreibwerkstätten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene beantwortet hat:

Ein paar Worte zu dir, liebe Pia: Was arbeitest du, was begeistert dich – auch unabhängig von Schreibwerkstätten?

Ich arbeite als Autorin und Workshopleiterin. Das ist genau das, was ich immer wollte. Als Kind habe ich mir gewünscht, in einem Buch zu leben und näher kann ich der Erfüllung dieses Wunsches wohl nicht kommen.

Wo und in welchem Rahmen bietest du Schreibworkshops für Kinder und Jugendliche an? Für welche Altersgruppe?

Ich arbeite regelmäßig für die Ferienakademie des Westfälischen Literaturbüros und biete außerdem im Rahmen des Projekts „Schreibland NRW“ eine zehnwöchige Schreibwerkstatt an, unter anderem in Hattingen. Das Literaturbüro NRW

vermittelt mich auch an Düsseldorfer Schulen, um dort eine mehrtägige oder mehrwöchige Schreibwerkstatt anzubieten. Meine TeilnehmerInnen sind ungefähr acht bis achtzehn Jahre alt. Daneben biete ich auch Workshops für Erwachsene an.

Schreibwerkstatt-für-Kinder-im-Kulturgut-Haus-NottbeckGibt es eine Lieblings-Übung, die immer wieder besonders gut ankommt?

Jeden neuen Workshop starte ich mit dem „Tauschtext“. Dabei schreibt jeder den Anfang einer Geschichte, dann werden die Blätter eingesammelt und die Teilnehmer ziehen einen fremden Text, zu dem sie die Mitte schreiben. Erneut wird gemischt und eine dritte Teilnehmerin schreibt das Ende. Auch unsichere Teilnehmer können diesen Text vorlesen, weil sie nicht allein für ihn verantwortlich sind. Außerdem hilft diese Aufgabe, ein Gruppengefühl herzustellen.

Hast du Tipps für Einsteiger, die neu als Schreibgruppenleiter anfangen wollen? Wie kommt man an Gruppen?

Mit einem Workshopkonzept kann man in Bibliotheken, bei Ferienfreizeiten und in Offenen Ganztagsschulen anfragen, ob Interesse daran besteht. Am Anfang würde ich darauf achten, nur TeilnehmerInnen zu haben, die freiwillig im Kurs sind, weil sie gerne schreiben. Das schränkt die Arbeit an Schulen etwas ein. Idealerweise hat man selbst bereits verschiedene Schreibworkshops besucht und hat ein Gefühl dafür entwickelt, was funktioniert und was nicht. Für den Anfang gibt es auch tolle Bücher mit Schreibaufgaben speziell für Kinder, etwa „Türen zur Fantasie“ von Marion Gay. Dieses Buch vermittelt auch einen Eindruck davon, welche Schreibaufgaben für welches Alter geeignet sind.

Worauf muss man beim Vorbereiten von einzelnen Übungen bzw. ganzen Schreibworkshops besonders achten?

Ich versuche, mich der Gruppe und den Gegebenheiten anzupassen. Zehn freiwillige Teilnehmer, die gerne schreiben, sind auch am späten Nachmittag noch in der Lage, konzentriert zu arbeiten. 30 unfreiwillig teilnehmende Schüler, die in der siebten Stunde auf mich treffen, brauchen möglichst ein anderes Programm. Außerdem „überplane“ ich stets und bereite mehr Übungen vor, als wir schaffen können, damit ich spontan entscheiden kann, was wir als nächstes machen. Jede Gruppe hat ihr eigenes Tempo, eigene Bedürfnisse und Vorlieben, daher kann man den Workshop nicht einfach durchplanen.

Was nehmen die Kinder aus diesen Schreibwerkstätten mit? Warum hältst du solche Projekte für wichtig?

Mir ist am wichtigsten, dass die Kinder und Jugendlichen mitnehmen, dass ihre Geschichten ernst genommen werden, dass ihre Ideen wichtig sind. Es ist sehr schön zu sehen, welche Begeisterung und Leidenschaft entsteht, wenn die Kinder schreiben und gegenseitig ihre Geschichten besprechen. Dann kann es nach einem Ganztagesworkshop geschehen, dass man mit der Bitte konfrontiert wird: „Können wir Hausaufgaben haben? Wir wollen auch heute Abend schreiben.“ Leider hat das Schreiben noch immer nicht denselben Stellenwert wie andere Freizeitbeschäftigungen von Kindern. Meine Kursteilnehmer erzählen mir immer wieder, wie gerne sie Geschichten erfinden, dass sie aber zu Hause leider keine Zeit zum Schreiben haben, weil ihre Nachmittage mit Sport, Musikunterricht, den Pfadfindern und was auch immer belegt sind. Also ist es auch ganz schlicht wichtig, den Kindern und Jugendlichen einen Raum zu bieten, in dem sie ihrem Interesse nachgehen können. Außerdem bin ich mir sicher, dass schreibende Kinder zu besseren Lesern und glücklicheren Menschen werden.

 

Ganz herzlichen Dank, liebe Pia, für deine Antworten. Auf dass überall Kinder und Jugendliche solche wunderbaren Schreibwerkstätten genießen können!

Mehr zum Schreiben mit Kindern und Jugendlichen gibt es im Gastbeitrag von Andreas Schuster und im Artikel über meine eigenen Erfahrungen sowie in den Interviews mit Petra Plaum, Michaela Pelz, Dr. Birgit Ebbert, Jutta Wilke, Carmen Winter und Alice Grünfelder.

Ich bin immer gespannt auf weitere Erfahrungen, Ideen und Tipps rund ums Kreative Schreiben mit Kindern und Jugendlichen – und freue mich über neue Interviewpartner!

(c) Foto von Pia Helfferich von Joachim Schmidt-Dominé

(c) Foto vom Kulturgut Haus Nottbeck von Sebastian Frie

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