In Münsters Schreibwerkstatt probiere ich immer wieder mit den Teilnehmern neue Ideen aus: Schreibanregungen, von denen ich gelesen oder die ich selbst bei Seminaren kennengelernt habe, Spiele, die ich aus anderen Zusammenhängen kenne und fürs Kreative Schreibe umwandle.
In der letzten Schreibwerkstatt haben wir den Klassiker beim Kreativen Schreiben – einen Anfangssatz zu einem Text fortsetzen – für eine Gruppenübung verändert: Wir haben alle gemeinsam an den Texten geschrieben. Jeder hatte einen Zettel mit dem Satz “Gottfried hasste offene Türen” vor sich liegen, hat diesen Anfang um einen Satz ergänzt (naja, manchmal sind es auch zwei oder drei Sätze geworden …) und dann dem Nachbarn gegeben. Der hat wiederum einen Satz geschrieben und den Zettel weitergereicht usw.
Verschiedene Genres in der Schreibwerkstatt
Zwar ist es auch spannend zu sehen, welche unterschiedlichen Texte daraus entstehen können, aber um es unterhaltsamer zu gestalten, haben wir jeden Zettel mit einem bestimmten Genre versehen. So haben wir einen Gottfried-Text als Liebesschnulze geschrieben (was schnell in einer Erotikszene geendet hat …), einen als Horrorthriller (da mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen, warum es in diesem Genre besser ist, die Türen stets geschlossen zu halten) oder als Kindergeschichte. Am lustigsten fanden wir alle unseren Sachbuchtext, den wir gemeinsam geschrieben haben. Hier unser Ergebnis:
Gottfrieds Türenphobie betrifft in erster Linie geöffnete Türen. Dies zeigt sich anhand folgender Symptome: Angstschweiß und Atemnot mit gleichzeitigen Panikattacken. Damit erweist er sich als typischer Vertreter dieser Störung.
Nicht alle Betroffenen reagieren allerdings so eindeutig, weshalb die Störung schlecht diagnostizierbar ist. Bei jedem Betroffenen jedoch ist sie der psychosomatische Ausdruck einer Grenzüberschreitungsangst, die sich an der Türschwelle manifestiert. Indiziert ist hier vor allem Verhaltenstherapie, die besonders in Schulgebäuden mit der Aufgabe, die Klassentüren auf ihr Geschlosssensein hin zu kontrollieren und sie anschließend für die Reinigungskräfte geöffnet zu hinterlassen, ausgezeichnete Erfolge zeitigt.
Trotz guter Erfolgschancen können nicht alle Betroffenen die Therapie zufriedenstellend abschließen. In diesen Fällen bietet die Anstellung als Schließer in einer Justizvollzugsanstalt jedoch eine vielversprechende Zukunftsperspektive.
So sind innerhalb einer Viertelstunde eine Handvoll Kurzromane unterschiedlicher Genres und eine kleine wissenschaftliche Abhandlung entstanden … Ich bin schon gespannt auf weitere kreative Ergebnisse in den nächsten Schreibwerkstätten!
PS: Wer sich für solche Schreibimpulse – ob alleine oder in der Gruppe umzusetzen – interessiert: Hier im Blog habe ich schon einige Schreibratgeber zu diesem Thema vorgestellt, zum Beispiel die Musenkussmischmaschine oder die 66 Schreibnächte und gerne empfehle ich auch das kompakte Reclam-Buch mit 111 Übungen zum kreativen Schreiben, weil es recht nüchtern die Anregungen zusammenfasst, die man ausführlicher erläutert auch in anderen Ratgebern findet.