Kurzgeschichte: Krippenspiel mit Live-Geburt

„Krippenspiel mit Live-Geburt“ – so lautete der Plakat-Text, und Anton war hin- und hergerissen gewesen zwischen Abscheu und Neugier.

Aber natürlich hatte die Neugier gesiegt, bei ihm wie bei vielen anderen, sodass schon beinahe tausend Menschen versammelt waren, als Anton die schwere Kirchentür aufzog.

 

Und dann? Ja, dann erlebte Anton und erlebten alle anderen einen ganz normalen Gottesdienst mit einer hochschwangeren Maria, die zwischen dem Pastor und einem, den Anton als windigen Geschäftsmann aus dem Nachbarort identifizierte, neben dem Altar hockte.

 

Natürlich bekam die Maria ihr Kind nicht in der Christmette, aber keiner der Kirchenbesucher traute sich, vorzeitig zu gehen, um sich nicht die Blöße zu geben, dass er nur deswegen gekommen sei. Und so hörten alle zu, als der Anzugträger statt einer Predigt davon sprach, warum in diesem Winter alle Gänseblümchen der umliegenden Orte verdorrt seien und welches Gegenmittel es bei ihm im Laden zu kaufen gebe, denn schließlich hätte Jesus eine blühende Welt – im übertragenen, aber durchaus auch im wortwörtlichen Sinne – gewollt.

 

Nur darüber, was Jesus von solchen Deals mit verkauften Gottesdienstwerbeplätzen gegen volle Kirchen gehalten hätte, sprach niemand.

 

Dieser Text entstand im Rahmen eines Impulstages bei den Workshops zum Kreativen Schreiben.

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Im motivierenden Planungsworkshop zu Jahresbeginn geht es übrigens darum, das eigene Schreibjahr zu strukturieren und sich einen Überblick über Ausschreibungen und Wettbewerbe zu verschaffen.

Und wer daran interessiert ist, wie sich ein guter Überblick über die eigenen Kurzgeschcihten behalten lässt, liest hier mal rein: Tipps zum Organisieren der eigenen Kurzgeschichten

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