Katja Angenent: Autorin aus Leidenschaft – und aus dem Münsterland

Katja Angenent ist eine liebe Netzwerkkollegin, mit der ich gerne für verschiedene Projekte zusammenarbeite, zum Beispiel bei den Textperimenten im Kreativ-Haus im Frühling und bei verschiedenen Kursen in Eva-Maria Lerches Schreibraum im November. Katja gibt jedoch nicht nur Schreibworkshops, hauptsächlich schreibt sie selbst, lebt als freiberufliche Autorin in Münster. Das Münsterland ist immer wieder Thema in ihren Geschichten. Vor ein paar Wochen ist nun ihr Fantasy-Krimi „Die Elfe vom Veitner Moor“ erschienen. Dazu durfte ich ihr einige Fragen stellen:

Liebe Katja, im Nachwort zur Elfe vom Veitner Moor verrätst du ein bisschen von der Entstehungsgeschichte dieses Romans. Für alle, die das Buch – noch – nicht kennen: Wie bist du auf die Idee gekommen?

Dazu hat mich tatsächlich das Venner Moor bei dir um die Ecke inspiriert. Ich spazierte eines spätherbstlichen Tages durch das kleine Moor und sagte zu meinem Mann: Da vorne könnte doch supergut eine Leiche liegen. Er meinte, eine Tote im Moor habe es doch schon häufig genug gegeben, worauf ich aus der Toten kurzerhand eine tote Elfe machte. Den Mordfall verlegte ich aus dem Hier und Jetzt in die Fantasywelt von Das Schwarze Auge (DSA), Deutschlands größtem Pen-and-Paper-Rollenspiel. Die Idee gefiel uns beiden so gut, dass wir den Spaziergang sogar noch verlängerten, um weitere Überlegungen zur Geschichte anzustellen. Dass aus der anfänglichen Gedankenspinnerei dann tatsächlich ein Roman wurde, ist etwas, das mir heute fast wie ein Wunder erscheint. Aber manchmal passt es einfach, und eine Anfangsidee lässt einen nicht mehr los …

War dir von Anfang an klar, an welchen Verlag du dich mit diesem Manuskript wendest?

Da meine Geschichte ja in einer offiziell lizensierten Fantasywelt angesiedelt ist, ähnlich wie die Geschichten, die unabhängig von den Kinofilmen im Star-Wars-Universum spielen oder wie die Romanreihen zu Fantasywelten wie Warhammer oder Shadowrun, war die Verlagssuche einfach. Es musste ja der Verlag werden, der die offizielle Lizenz für die Vermarktung der Welt besitzt, ansonsten hätte ich rechtliche Schwierigkeiten bekommen. Dass es im Fall von DSA aktuell gleich drei Verlage gibt, die unter der Lizenz etwas veröffentlichen, habe ich dann gelernt. Aus inhaltlichen Gründen kam nur einer davon infrage, und an den habe ich dann ganz klassisch mein Exposé und eine Leseprobe geschickt.

Die Münsteraner Autorin Katja AngenentDu hast davor ja bereits einen Erzählungsband in einem Verlag veröffentlicht. Heutzutage eine eher ungewöhnliche Erfolgsgeschichte – als Debütantin direkt zwei Verlage von sich überzeugen zu können. Kannst du anderen Schreibenden Tipps dadurch geben, dass du erzählst, wie du es angegangen bist, warum es bei dir geklappt hat – abgesehen von deinen tollen Manuskripten natürlich …

Natürlich ist es wichtig, dass der eingereichte Text formal und inhaltlich überzeugen kann, aber noch wichtiger ist vermutlich die textliche Ausrichtung, die Passung auf das Verlagsprogramm. Ich habe ja noch weitere Geschichten in der Schublade liegen und da durchaus auch schon Absagen erhalten mit der Begründung, der Schreibstil wäre ja toll, aber inhaltlich würde der Verlag seit Jahren diese Art von Büchern nicht mehr verlegen. Hätte ich da besser recherchiert, wäre das nicht passiert. Auf der anderen Seite kann man auch mit unpassenden Bewerbungen auf sich aufmerksam machen. Jener Verlag fragte anschließend, ob ich nicht Lust hätte, für sie ein Sachbuch zu schreiben, sie fänden meinen Schreibstil so toll … Daraus ist dann aus anderen Gründen doch nichts geworden. Aber für den Fall, dass ich mal etwas schreibe, was inhaltlich auf den Verlag passen könnte, hat die Lektorin großes Interesse signalisiert.

Ähnlich bin ich auch zu meinem Erzählband gekommen: Auf der Homepage des Verlages hatte ich gelesen, dass die Verleger aktuell nach Manuskripten suchten. Meine daraufhin eingereichte Leseprobe konnte zwar nicht so ganz überzeugen (wieder fehlende Passung), aber sie fragten von sich aus, ob ich nicht auch Kurzgeschichten hätte. Natürlich hatte ich die! Ich habe, wie so viele, zunächst Kurzgeschichten geschrieben, bevor ich mich an längere Werke gewagt habe, und schreibe auch heute noch regelmäßig kurze Texte. Nur heißt es immer, Kurzgeschichten würden weder gerne verlegt noch gerne gelesen, darum hätte ich mich nie mit Kurzgeschichten irgendwo von mir aus beworben. Aber es hat funktioniert: Das Erscheinen von „Die alte Freundin Dunkelheit“ ist nun schon zwei Jahre her.

Beide Verlage, bei denen ich bisher veröffentlicht habe, sind Independent-Verlage. Das heißt landläufig, sie sind klein und richten sich ganz gezielt an ein Nischenpublikum. Meiner Erfahrung nach kommt man bei Independent-Verlagen leichter unter als bei den großen. Aber natürlich sind die Auflagen dann auch nicht so hoch, das Marketingbudget ist begrenzt bis nicht vorhanden, und Korrektorat und Lektorat fallen aus Kostengründen auch eher spärlich aus. Die Verleger sind echte Enthusiasten und können oft selbst mehr schlecht als recht von ihrem Verlag leben. Das heißt, bei Independent-Verlagen arbeite ich tendenziell eher wie eine Selfpublisherin und darf mich um vieles selbst kümmern. Das geht aber vielen Autorinnen und Autoren in den großen Verlagen ähnlich!  Und damit meine ich natürlich nicht, dass ich für die Veröffentlichungen etwas bezahlt habe – als Verlage treten die in Vorleistung und drucken und vertreiben das Buch, wofür ich sehr dankbar bin. In beiden Fällen habe ich aber schwerpunktmäßig die Pressearbeit übernommen und natürlich auch viel Werbung gemacht. Das Gute an einer Veröffentlichung in einem kleineren Verlag ist, dass du im Regelfall sehr viel mitbestimmen kannst. Cover und Titel sind zum Beispiel in beiden Fällen nach meiner Vorlage entstanden. Außerdem gibt es während der Zusammenarbeit nebenbei und gratis eine Menge Einblicke in die Buchbranche, das ist auch total spannend. Apropos: Man hört ja gerade sehr viel über das Verlagssterben aufgrund von Corona. Erst die KNV-Insolvenz, dann die Absage der Leipziger Buchmesse und zwischenzeitlich die Schließung der Buchhandlungen – das sind drei herbe Schläge, die sich direkt auf die Verlage auswirken. Ich bin mir zum jetzigen Zeitpunkt leider fast sicher, dass einige Indie-Verlage die Situation nicht überleben werden und kann nur hoffen, dass die, die ich persönlich kenne, nicht dazugehören werden. Was dagegen hilft, ist simpel: Bücher kaufen, am besten direkt beim Verlag.

Aber um nochmal auf deine Frage zurückzukommen: Es heißt ja in Kalendersprüchen immer ganz allgemein: Do what makes you happy. Auf das Schreiben von Geschichten und die Verlagssuche bezogen kann das bedeuten, dass man dort die meisten Chancen hat, wo man sich ohnehin auskennt und gerne aufhält. Wer über sein ausgefallenes Hobby schreibt, kann mit Authentizität punkten, und wer zu einer bestimmten Community gehört und sich gerne darin bewegt, hat vermutlich große Chancen, innerhalb dieser Blase mit seiner oder ihrer Geschichte einen Nerv zu treffen. Wer seit zwanzig Jahren reitet, wird eher einen Pferderoman veröffentlichen als jemand, der Hunde hält. Und wäre es nicht interessant, einen Krimi mit einer Tanzschule als Tatort zu lesen – geschrieben von einer Frau, die selbst Inhaberin einer Tanzschule ist? Mit den entsprechenden Manuskripten würde ich mich dann auch nicht an die großen Publikums- sondern an die jeweiligen Special-Interest-Verlage wenden. Und  für die Vermarktung ergibt das natürlich auch noch mal eine von vornherein ganz anders interessierte Community, auch im unmittelbaren Umfeld der oder des Schreibenden.

Das Cover von Katja Angenents Fantasy-Roman Die Elfe vom Veitner MoorNach einer Veröffentlichung kommt die Öffentlichkeitsarbeit. Vor-Ort-Lesungen fallen ja momentan aus. Hast du andere Konzepte gefunden, um dein Buch zu vermarkten?

Ich habe auch vor Corona schon begonnen, einen Youtube-Kanal aufzubauen, und damit mache ich natürlich aktuell weiter. Außerdem habe ich sehr gute Erfahrungen mit gezielter Social-Media-Werbung gemacht. Gleich nach dem Erscheinen habe ich in den DSA-Facebook-Gruppen und im DSA-Forum auf das Buch aufmerksam gemacht, und die Reaktionen waren extrem positiv. Das reichte bis hin zu mir völlig unbekannten Menschen, die mir plötzlich per persönlicher Facebook-Nachricht mitteilten, wie gerne sie meine Geschichte gelesen hätten. Das macht dann richtig Spaß! Aktuell neu sind drei Blogbeiträge auf der Seite des Verlages, die ich zu Marketingzwecken verfasst habe. Neben einer Leseprobe gibt es dort noch einen Werkstattbericht und eine Top-Ten-Liste. Man könnte natürlich noch viel mehr machen, aber es passiert auch gerade schon eine ganze Menge, und ich bin eine Freundin davon, sich auf bestimmte Sachen zu fokussieren. Ich liebe Live-Lesungen und möchte die unbedingt in der zweiten Jahreshälfte und im nächsten Jahr nachholen. Aber das wird vielen so gehen, darum weiß ich noch nicht, wie viel da tatsächlich möglich sein wird.

Was andere Schreibende immer interessiert: Wie gehst du ein neues Projekt an? Weißt du gleich, ob es eine Kurzgeschichte oder ein Roman wird? Schreibst du an mehreren Geschichten gleichzeitig?

Ein gewisses Maß an Planung ist für mich sehr hilfreich. Wenn ich zu Beginn eines Projektes nicht wüsste, ob es eine Kurzgeschichte oder ein Roman werden würde, würde ich mich wohl heillos verzetteln 🙂 Ich versuche, vorab so viel wie möglich zu plotten. Gerade bei längeren Texten ändert sich der Plot aber im Laufe des Schreibens auch immer wieder und dann wird die Grobstruktur dahingehend angepasst. Ich habe in der Tat mehrere angefangene Ideen für große und kleine Projekte in der Schublade. Das reicht von einer halben Seite Ideenskizze bis zu mehreren Dokumenten mit Charakterskizzen und den ersten zwanzig Seiten. Mir gehen meist so viele Ideen durch den Kopf, dass ich mich kaum auf ein einzelnes Projekt fokussieren möchte, aber um einen Roman auch tatsächlich zu Ende zu bringen, ist eine Fokussierung unabdingbar.

Du bist ja nicht nur Autorin, sondern auch Journalistin und Schreibwerkstattleiterin. Wie organisierst du dich mit diesen verschiedenen Tätigkeiten? Hast du feste Schreibroutinen, einen durchstrukturierten Tagesrhythmus?

Nach so einer funktionierenden Routine suchen wohl alle Selbstständigen 🙂 Mir geht es da so wie den meisten anderen auch, mit denen ich spreche: Die Struktur ist eigentlich da, wird aber durch kurzfristige Aufträge, unentgeltliche Zwischenaufgaben oder Deadlines immer wieder unterbrochen. An manchen Tagen gelingt es mir darum kaum, mich um das zu kümmern, was laut Struktur eigentlich an der Reihe gewesen wäre. Da hilft nur eines: flexibel bleiben. Selbstständig wird nicht umsonst aus “selbst” und “ständig” gebildet. Wenn mein Mann von der Arbeit nach Hause kommt, holt er mich aber meist auch vom Arbeitsplatz weg und dann verbringen wir unseren Feierabend gemeinsam. Ich stehe auch morgens zusammen mit ihm auf, was einige meiner Bekannten schon verwundert hat. “Aber du hast doch Zeit”, sagen sie dann. Ja, aber ich arbeite ja auch und habe nicht frei! Wenn ich ein bestimmtes Stundenpensum in der Woche schaffen möchte, dann ist es unabdingbar, dass ich dafür auch vor dem Rechner sitze und tatsächlich etwas schaffe. Serien schauen oder ein Buch lesen, das gehört eindeutig in die Freizeit.

Liebe Katja, ganz herzlichen Dank für deine persönlichen Einblicke und Tipps!

Dem online-Magazin “Alles Münster” hat Katja auch schon Fragen zur Elfe vom Veitner Moor beantwortet. Mehr über ihre Schreibwerkstätten und ihr Schreiben könnt ihr nachlesen auf ihrem eigenen Blog. Sie veröffentlicht auch Videos rund um den Literaturbetrieb wie Interviews, zur Elfe zum Beispiel ein Unboxing-Video. Zu ihrem Erzählungsband „Die alte Freundin Dunkelheit“ mit Schauergeschichten hat sie mir in diesem Blog auch schon Interview-Fragen beantwortet.

Bibliografische Angaben:

  • Titel: Die Elfe vom Veitner Moor
  • Verlag: Blitz-Verlag
  • Cover-Gestaltung: Tristan Deneke
  • Preis: 14,95 Euro
  • ISBN: 978-3946502593

Fotorechte: Katja Angenent

Weitere Interviews mit Schreibenden findet ihr hier auf diesem Blog:

 

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