Ob live oder als Online-Konferenz, für alle Schreibbegeisterten sind Literaturcamps eine tolle Gelegenheit, sich zu vernetzen. Andere Schreibbegeisterte kennenlernen, sich austauschen, dazulernen, anderen von den eigenen Spezialgebieten erzählen, neue Ideen ausprobieren – all das gibt es auf Literaturcamps.
Was ist ein Literaturcamp?
Wer irgendeine Art von Barcamp kennt, weiß auch, wie ein Literaturcamp funktioniert. Barcamps sind Unkonferenzen. Die erste gab es im Sommer 2005 in den USA, seit dem Folgejahr finden auch ganz unterschiedliche im deutschsprachigen Raum statt. Sie stehen unter einem Thema – eben zum Beispiel Literatur, aber auch häufig technische oder regionale Fragen. Barcamps sind ein sehr offenes Format: Teilnehmen dürfen alle, die sich in irgendeiner Form dafür interessieren. Man muss ein Ticket kaufen, in dem häufig schon die Verpflegung inklusive ist; ansonsten sind keine Voraussetzungen zu erfüllen.
Zu Beginn eines Barcamps stellen sich alle vor. Damit das auch bei mehreren Hundert Leuten funktioniert, nennen alle nur ihren Namen und drei Hashtags. Wem das nichts sagt: Hashtags (#) sind Verschlagwortungen, die in den Sozialen Medien genutzt werden. Man kann sie auf Barcamps beruflich orientieren (bei mir #Lektorat, #MünstersSchreibwerkstatt und #Norwegisch), aber ebenso persönlich wie #Teeliebe oder lustig wie #DasMitDenHashtagsLernIchNoch.
Sessions
Anschließend werden die Sessions festgelegt. Die Organisationsleute planen vorher sogenannte Slots passend zu den vorhandenen Räumen. In der Regel ist ein Slot eine Stunde lang. Je nachdem, wie viele Teilnehmende es gibt und wie viele Räume zur Verfügung stehen, können entsprechend viele Sessions geplant werden. Die Formen können ganz unterschiedlich sein:
- ein Vortrag
- eine Diskussionsrunde
- eine Fragestunde
- eine Präsentation
- etwas gemeinsam ausprobieren
Zur Planung kommen alle nach vorne, die Lust auf eine bestimmte Session haben, und stellen ihre Idee kurz vor. Per Handzeichen wird abgefragt, ob es auch im Plenum Interesse daran gibt. Aus allen Vorschlägen stellt das Organisationsteam den Sessionplan zusammen: Zu welchem Thema unter welcher Leitung es wann und wo eine Session gibt. Diese Übersicht wird meist auf Metaplan-Wänden ausgestellt und ist online zu finden.
Insgesamt geschieht viel online: Hauptsächlich wird während eines Barcamps getwittert – immer mit dem Hashtag des Camps. Es ist also nicht verwunderlich oder unhöflich, wenn alle Teilnehmenden in einer Session auch wild auf ihren Handys herumtippen … Auch hinterher wird sich oft über Blogbeiträge, Videos und Nachrichten über die Inhalte des Barcamps weiter ausgetauscht – und Inhalte von einzelnen Sessions präsentiert.
Die einzelnen Sessions sind dann vollkommen offen: Das heißt, alle können kommen und gehen, wie sie möchten. So kann man bei zwei parallel liegenden Themen vorbeischauen und muss nicht bis zum Ende irgendwo sitzen bleiben, wenn sich das Thema doch ganz anders entwickelt als erwartet. Manche Leitungen haben Präsentationen vorbereitet oder sich Übungen überlegt, bei anderen ist es ein lockerer Austausch unter Gleichgesinnten.
Häufig finden Barcamps am Wochenende statt. Man kann an einzelnen Tagen teilnehmen oder auch über den gesamten Zeitraum – da an jedem Tag die Sessions für den aktuellen Tag neu geplant werden, ist kein Vorlauf nötig. Am zweiten Tag ergeben sich auch oft Themen für Sessions durch Diskussionen am ersten Tag oder die Neulinge trauen sich dann auch, eine Session anzubieten, sodass noch einmal ganz neue Impulse kommen.
Das Spannende an Barcamps ist das Prozesshafte. Doch wer meint, dass dabei nicht viel herumkommen kann, wird sich wundern. Es läuft nicht chaotisch ab, sondern sehr strukturiert, und durch das geballte Interesse aller Teilnehmenden kommt wahnsinnig viel Expertise zusammen – die allen anderen zur Verfügung gestellt wird.
Was für Sessions gibt es auf einem LitCamp?
Naturgemäß haben LitCamp-Sessions irgendetwas mit Schreiben zu tun. Es gab auf den verschiedenen LitCamps schon unmittelbar schreiborientierte wie Plotten oder über Sex schreiben. Aber auch Arbeitsorganisatorisches wie Schreiben im Team, Zusammenarbeit mit dem Lektorat, Prokrastination, Vorstellung von Schreibsoftware oder Suchmaschinenoptimierung für die eigene Internetseite findet hier seinen Platz. Informationen gab es zum Beispiel darüber, wie Abläufe in Verlagen sind oder wie Selfpublisher mit Buchhandlungen zusammenarbeiten können. Und es darf auch zunächst fern Scheinendes wie Ukulelenspiel oder Kampfsporttechniken angeboten werden – wenn sich Interessierte finden. Das Spannende ist ja, dass durch die Teilnehmende auch unerwartete Impulse entstehen: So erzählte bei einem LitCampHH jemand von ihrer Gesichtsblindheit – und daran schließen sich natürlich Gedanken an, wie diverse Eigenschaften oder Einschränkungen Figuren in Texten prägen und wie sich das aufs Schreiben über sie auswirken sollte.
Im Tempest-Newsletter rund ums Kreative Schreiben habe ich übrigens ausführlich über das Literaturcamp in Hamburg 2019 berichtet und auch noch mal allgemein erklärt, was ein Literaturcamp überhaupt ist.
Wo finden die nächsten LitCamps statt?
Das nächste Literaturcamp findet online statt und zwar am 13./14. November 2021 statt: https://literaturcamp-heidelberg.de/
Wegen Corona stehen bei anderen Origanisationsteams die nächsten Termine noch nicht fest:
- Literaturcamp in Bonn: https://literaturcampnrw.de/
- Literaturcamp Berlin: https://literaturcamp-berlin.de/
- Literaturcamp Hamburg: https://literaturcamp-hamburg.lineupr.com/
AKTUELL 2023: Momentan sind mir keine geplanten Literaturcamps bekannt. Da hat Corona wohl ein tolles Veranstaltungsformat zumindest auf Eis gelegt. Wenn ihr von einer Neuauflage erfahrt, schreibt mir gerne in den Kommentaren davon.