Ein Bild regt mehr als tausend Worte an

Im Texttreff, dem Netzwerk wortstarker Frauen, gibt es jedes Jahr im Advent eine Blogwichtel-Aktion. Darin beschenken sich die bloggenden Textinen gegenseitig mit Artikel. Mein Beitrag zu Bilder-Büchern, die sich gut als Schreibanregung nutzen lassen, erschien im letzten Dezember in Katrin Zinouns Blog. Sie arbeitet als Freie Autorin und Übersetzerin. Hier folgt meine Blogwichtelei:

Kein Sand im Getriebe – Bildinspirationen

Anregungen zum Kreativen Schreiben gibt es wie Sand am Meer. Ein Klassiker ist, sich durch (Wort-)Bilder inspirieren zu lassen. Welche Geschichte steckt dahinter, was geschah vorher, was wird nachher rund um das Motiv geschehen?

In ganze Bildwelten abzutauchen, ist eine Übung, die ich gerne in Schreibgruppen verwende. Einmal, weil ich Bücher – insbesondere schön illustrierte – liebe, und weil sich solche Bilder-Bücher hervorragend in unterschiedlichsten Gruppen (nicht nur für Kinder, auch für Erwachsene sowie für Einsteiger und Erfahrene) einsetzen lassen.

Ein kleiner Überblick über ein paar meiner Lieblingsbücher mit den Schreib-Ideen, die sich daraus entwickeln lassen:

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Das Land der Wörterfabrik

In diesem Land können nur Wohlhabende kommunizieren, weil sich jeder die Wörter und Sätze aus der Wörterfabrik kaufen muss. In rot-schwarz gehaltenen Bildern vermitteln Agnès de Lestrade und Valeria Docampo die Stimmung des kleinen Paul, der gerne Maries Herz erobern möchte, sich aber nur abgelegte Worte aus dem Mülleimer leisten kann. Wie soll er so gegen den reichen Oskar bestehen? Doch die Geschichte geht gut aus – Marie verlässt sich auf ihr Herz.

Für Kindergruppen eignen sich zu diesem Buch klassische Weitererzähl-Fragen wie „Was geschieht nun mit Marie und Paul?“, aber auch Nachdenk-Anregungen wie „Wie stellst du dir dein Leben im Land der Wörterfabrik vor?“.

„Die große Wörterfabrik“ aus dem mixtvision Verlag gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen (auch als App).

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Klassische Wie-geht’s-weiter-Geschichtenanfänge

Andreas Röckeners Buch heißt auch „Wie geht’s weiter? Bilder & Geschichten zum Weiterspinnen“. In diesem Buch aus dem Moritz Verlag (rund 14 Euro) stehen neben jedem Bild eine Überschrift und ein paar Sätze mit Auslassungszeichen. Gerade Kinder werden so dazu angeregt, sich in die Bildwelten hineinzuversetzen.

Für erwachsene Teilnehmer nutze ich die Bilder eher ohne vorgegebenen Textanfang. Allerdings muss die Gruppe diese Art von Illustrationen und Geschichten mögen, denn es sind Fantasiemotive: Fliegende Fische und laufende Kerzen, Hexen und andere Fantasiewesen.

Bilderbücher als Schreibanregung

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Fantasiegut

Strandgut ist immer gut dafür, die Fantasie anzuregen. Wo kommt das her, was ich gefunden habe? Wo und bei wem war es vorher? In David Wiesners textlosem Buch „Strandgut“ aus dem Aladin Verlag (rund 17 Euro) findet ein Junge eine Kamera am Strand. Er lässt den Film darin entwickeln und entdeckt auf den Bildern sowohl verrückte Unterwasserwelten als auch Kinder, die sich selbst mit der Kamera fotografiert haben. Als er sich selbst ebenfalls am Meer fotografiert, entreißt ihm eine Welle die Kamera und spült diese durchs Meer zum nächsten Kind …

Die großformatigen Illustrationen der Kinder sprechen eher Erwachsene an, zumal Kinder heutzutage Probleme damit haben, sich eine Kamera mit Film darin vorzustellen, der erst entwickelt werden muss. Manchmal nutze ich für jüngere Schreibwerkstättler nur die Bilder der Unterwasserwelten – denn Kraken und abgestürzte Raumschiffe decken sich meist mit ihrer eigenen Fantasie.

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Gefühle herausfischen

Woran erkennt man die Gefühle eines anderen? An Gesten, am Tonfall und ganz besonders an der Mimik. Als Autor ist es wichtig, sich in Gefühlsbeschreibungen zu üben, damit man keine Behauptungen („sie war wütend“) aufstellt, sondern an Aussehen und Benehmen seiner Figuren verdeutlicht, was sich Leser dann selbst erschließen können.

Solche Beschreibungen übe ich mit Fisch-Bildern. Mit Fischen? Richtig, Mies van Hout hat eine Reihe von bunten Fischen auf schwarzem Grund gemalt, denen man ihre Gefühle deutlich ansieht. Der zornige Fisch kneift seine Augen noch stärker zusammen als der böse Fisch, der neugierige Fisch hat sie weit geöffnet, aber nicht so aufgerissen wie der ängstliche Fisch … Der zufriedene Fisch macht beinahe einen Kussmund, der verliebte hat die Mundwinkel verträumt nach oben gezogen und dem erschrockenen Fisch fallen beinahe alle Zähne aus dem Maul … Natürlich sind diese Bilder nicht realistisch, sondern vermenschlicht, aber sie verdeutlichen gut, worauf es beim Beschreiben ankommt: auf die Details achten.

Als Buch im aracari-verlag kostet „Heute bin ich“ 13,90 Euro, als Kunstkarten-Set 18 Euro. Ich nutze die Bilder aus dem Buch laminiert, weil sie so schön groß und stabil sind, sich gut herumreichen und mit mehreren Leuten gleichzeitig betrachten lassen. Dann sprechen und schreiben wir darüber, wie sich ein Fisch gerade fühlt, warum das wohl so ist und entwickeln Szenen dazu, was passiert, wenn sich zwei Fische mit ihrer jeweiligen Stimmung begegnen.

Und später üben wir, an solchen Menschen Details die Gefühle unserer Protagonisten zu verdeutlichen …

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