Anthologie der Frankfurter Schreibgruppe Schreibzeit

Als Schreibgruppe eine gemeinsame Anthologie herausgeben? Sicherlich eine spannende und intensive Reise. Netterweise hat die Frankfurter Schreibzeit-Gruppe von Anne Chavez, HaRu Neidhardt, Thomas Ormond und Katharina Wolff ein paar Fragen zu ihrem Schreiben und ihren Veröffentlichungen beantwortet.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Auswahl eurer Texte als Anthologie herauszugeben?

In der Schreibgruppe schreiben wir Texte zu spontan gefundenen Stichworten. Die Geschichten, die dabei entstehen, haben – wie wir finden – manchmal durchaus Potenzial, aber die Ausarbeitung, Überarbeitung geht im Alltag unter. Sie werden einfach nicht fertig. Ein Buch zu machen, führt dazu, dass wir uns intensiver mit den Geschichten beschäftigen und sie ordentlich überarbeiten.

Wie habt ihr die Auswahl und Zusammenstellung der Geschichten organisiert?

Das war ein langer und intensiver Diskussionsprozess. Es sollten gute Geschichten sein und gleichzeitig sollten sie auch zueinander passen – ein roter Faden sollte her. Leichte und schwere Geschichten sich abwechseln. Es ging also nicht darum, einfach nur irgendeine Geschichte „abzuwerfen“. Die Gedichte entstanden weitgehend für das Buch (rund um das Thema Schreiben und Schriftsteller:innen im weitesten Sinne), um leere Seiten, die sonst im Layout entstanden wären, zu füllen. Beim Layout soll ja eine neue Geschichte immer rechts beginnen. Ist die vorherige Geschichte zu lang / zu kurz bleibt die linke Seite leer – das sollte nicht sein.

Wie habt ihr euch als Schreibgruppe zusammengefunden und wie organisiert ihr euch?

Die Schreibgruppe wurde vor 15 Jahren von zwei Bücherfrauen gegründet, weil wir eine Schreibgruppe suchten. Die beiden Gründerinnen managen die Gruppe immer noch. Mitglieder:innen suchten wir anfangs ganz naiv per Aushang/allg. Hinweise. Nachdem wir da allerdings sehr merkwürdige Menschen trafen, die nicht unbedingt konstruktiv waren, suchen wir nunmehr neue Mitglieder:innen, die passen. Passen heißt weniger, tolle Geschichten schreiben zu können (natürlich ist es super, wenn das der Fall ist), aber vor allem sollte es sozial passen. Dies heißt, offen für die Geschichten anderer zu sein, konstruktive Kritik formulieren zu können und auch annehmen zu können. Ziel der TN sollte es sein, mit dem Schreiben auch vorankommen zu wollen, sich stetig weiterentwickeln zu wollen. Wo Entwicklungsbereitschaft existiert, findet in der Regel auch Entwicklung statt. Die Geschichten werden immer besser.

Wir treffen uns alle zwei Monate, lesen uns die Texte (Kurzgeschichten, Gedichte, Limericks etc.) gegenseitig vor, die zu einem vorher vereinbarten Thema geschrieben wurden, und geben uns Feedback. Dann vereinbaren wir ein neues Thema, schreiben dazu daheim und treffen uns wieder. Ab und an (alle paar Jahre) machen wir mal einen Workshop, den wir selbst organisieren, erstellen eine Anthologie (die aktuelle ist die zweite). Einzelne TN bilden sich in Kursen von Dritten weiter und geben ihre Infos in die Schreibgruppe.

Welchen Tipp habt ihr für Schreibende, die überlegen, selbst eine Gruppe zu gründen?

Siehe oben zur Organisation und Struktur. Ansonsten: Passen muss es und Spaß sollte es machen. Je nachdem, wer in der Gruppe ist und was die Bedürfnisse der TN sind, ergeben sich die Strukturen. Niemand muss ewig in der Gruppe sein, aber wer dabei ist, sollte ernsthaft schreiben wollen, d. h. regelmäßig teilnehmen (bei uns darf man einmal im Jahr fehlen) und vor allem Texte schreiben. Wir wollen keine Menschen, die mehr oder minder schlau andere kritisieren, aber selbst keinen Text einbringen.

Cover Buch Einfache Geschichten komplexer Menschen der Gruppe Frankfurter SchreibzeitWo habt ihr euch übers Selfpublishing informiert? Habt ihr Tipps für Internetseiten, Podcasts o. ä.?

Die vier, die das Buch am Ende machten (die Gruppe bestand seinerzeit aus neun Mitgliedern, nicht alle wollten mitmachen, weil sie nicht Geld und Zeit in das Projekt investieren wollten/konnten), sind alle publikationserfahren und zum Teil in eigener Sache zudem als Selfpublisher:innen tätig.

Was hättet ihr vor dem Selfpublishing gerne gewusst? Also, was möchtet ihr angehenden Selfpublisher*innen mitgeben?

Wir wussten schon, dass es viel Arbeit ist, ein Buch zu machen. Es war ja nicht das erste Buch. Die Autor:innen haben schon andere Bücher in anderen Zusammenhängen veröffentlicht, aber am Ende ist es immer sehr viel Arbeit, kostet sehr viel Nerven und auch Konflikte sind nicht auszuschließen. Schließlich ist ein Text auch immer eine persönliche Sache, wenn andere reinreden, kann es schwierig werden. Wenn es ein gemeinsames Buch werden soll, dann muss man sich jedoch untereinander einigen über Inhalte, Form, Layout, Cover, Klappentext. Da kann schon mal um jedes Wort und jeden Strich hart gerungen werden. Das fördert die Qualität und steigert die Lernkurve, ist aber anstrengend. Wer das nicht will, sollte kein Gemeinschaftswerk erstellen.

Um die passenden Dienstleister:innen zu finden, haben wir u. a. über die Textinen und die Bücherfrauen entsprechende Anfragen gestartet und zudem im Bekanntenkreis herumgefragt. Auf diese Weise fanden wir einen Hersteller, eine Layouterin und eine Lektorin. Dass wir hier professionelle Unterstützung haben wollten, ergab sich daraus, dass wir den Blick von außen schätzen und ein professionelles Buch erstellen wollten. Zudem werden Kritik / Anforderungen einer externen Lektorin / Layouterin / Herstellung besser angenommen, weil sie eben extern sind und nicht Teil der Gruppe. Zudem wollten wir nicht durch Doppelrollen in Konflikte geraten.

Kontakt zur Gruppe über E-Mail: schreib_mit_uns@gmx.de

© Bilder: Gruppe Frankfurter Schreibzeit; Titelbild HaRu Neidhardt

Das Buch ist bei BoD erschienen.

Im Sommer 2023 habe ich aus meiner Sicht als Schreibwerkstätten-Leiterin über die Möglichkeiten von Schreibgruppen gebloggt.

Andere Interviews mit Selfpublisher*innen im Blog:

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