Vom Frieden – Anthologie-Herausgebende erzählen

2023 feiern Münster und Osnabrück das Jubiläum des Westfälischen Friedens – gerade in unserer Zeit ein wichtiges Thema. Was liegt für Schreibende da näher, als sich auch in Texten mit diesem Thema auseinanderzusetzen?

Die Regionalgruppe Münsterland des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) hat um Einsendungen für eine Anthologie gebeten. Im April 2023 ist diese nun erschienen.

Ich freue mich, dass die drei Herausgebenden ein paar Fragen zu diesem spannenden Buchprojekt beantwortet haben!

Ehrenamtliche Engagierte sind ja immer schwer zu finden. Habt ihr gleich zugesagt, mitzumachen, oder lag das nahe, weil ihr auch die Idee entwickelt habt?

Katja Angenent: Letzteres. Matthias, der bereits mehrere sehr erfolgreiche Anthologien herausgegeben hat, fragte an, ob wir Lust hätten, ihn bei einem neuen Projekt zu unterstützen. Gemeinsam haben wir das Thema entwickelt – und dann ging es auch schon los mit der Ausschreibung, der Sichtung der Beiträge und der Suche nach einem Verlag …

Alfons Huckebrink: Auch mir bereitet die Arbeit als Herausgeber Vergnügen. In diesem Fall kommt das Thema hinzu, eigentlich alle anderen beherrschend seit dem Februar 2022: Frieden. Trotzdem bleiben bislang die Äußerungen und Auseinandersetzungen von SchriftstellerInnen überschaubar spärlich. Mit den Texten der Anthologie existiert nun eine vielstimmige Antwort.

Matthias Engels: Es ist immer toll, wenn KollegInnen so spontan Begeisterung zeigen und auf sein Projekt „aufspringen“. Zum Glück passiert das beim VS und im Kollegenkreis recht häufig. Die Idee lag so nah, im Jubiläumsjahr, und bot vielen unserer Autorenfreunde offenbar die Gelegenheit, Dinge zu äußern, die ihnen unter den Nägeln brannten.

Wie funktioniert so eine Herausgeberschaft zu dritt? Wie habt ihr euch die Arbeit aufgeteilt? Habt ihr Tipps für andere Gruppen, die gemeinsam ein Buch herausgeben möchten?

Foto Herausgeberinnen Anthologie Vom FriedenKatja Angenent: Die Idee, sich die Herausgeberschaft zu teilen, hat meiner Ansicht nach super funktioniert. Matthias als Initiator und erster Ansprechpartner für die Autorinnen und Autoren hatte mit Sicherheit die meiste Arbeit, aber er hat uns immer wieder gefragt, wenn er sich bei einer Sache unsicher war. Und in einem Team von drei Leuten weiß eigentlich immer einer Rat. Gut war auch, dass wir uns für die Textauswahl einen Abend lang getroffen haben und über jeden der eingesandten Texte in Ruhe gesprochen haben. Mir hat die Arbeit an der Anthologie dadurch großen Spaß gemacht, es hatte alles eine gewisse Leichtigkeit – auch, weil der Verlag, den wir zuerst angefragt haben, gleich zugesagt hat. Das war wunderbar!

Alfons Huckebrink: Es war eine rundum gute Erfahrung. Ich stimme Katja voll und ganz zu und möchte sie um einen Gesichtspunkt ergänzen: Drei Herausgeber bedeuten auch drei Verständnisse von Literatur, drei Bemessungen ihres Gehalts. Diesen Unterschieden konnten wir einiges abgewinnen, was sich sowohl hinsichtlich der Qualität wie der Zusammenstellung der Texte erfreulich ausgewirkt hat.

Matthias Engels: Das stimmt. Wir waren tatsächlich ein äußerst gutes Team. Ich habe oft ambitionierte Ideen, bei denen ich mich manchmal auch etwas versteige. Katja ist, meinem Eindruck nach, dagegen unglaublich strukturiert und realistisch. Und Alfons verfügt einfach über eine riesige Erfahrung und wir alle haben unsere unterschiedlichen Kontakte. Das hilft enorm.

Es gibt viele kurze, lyrische Texte in der Anthologie. Habt ihr bewusst diesen Schwerpunkt gewählt oder hat sich das aus den Einsendungen ergeben?

Katja Angenent: Auch hier wieder Letzteres. Die Ausschreibung war diesbezüglich offen. Vielleicht liegt der hohe Lyrikanteil daran, dass Matthias selbst Lyriker ist und er darum in diesem Kreis besonders viele Menschen zu einer Einsendung motivieren konnte 😉 Ich glaube aber auch, dass das Thema sich für Lyrik besonders eignet.

Alfons Huckebrink: Ich denke auch. Schaut man sich vergleichbare Sammlungen aus den 80er Jahren an, die übrigens heute durchaus noch lesenswert sind wie etwa „Frieden: Mehr als ein Wort“ (rororo), so finden sich auch darin überwiegend Gedichte. Vielleicht kanalisiert Lyrik jenen appellativen Überschuss, den das Thema sicher bei vielen freisetzt, am besten.

Matthias Engels: Lyrik eignet sich einfach gut für kurze, prägnante Wiedergabe von persönlichem Empfinden, persönlichen Einsichten. Eine Geschichte will gebaut sein, muss erzählen, muss den spontanen Eindruck übersetzen in eine Handlung, mit einem Protagonisten und anderen Figuren. Wir haben ja auch viel gute Prosa dabei, aber vermutlich aus all den schon genannten Gründen, kam einfach besonders viel Lyrik. Forciert haben  wir das nicht.

Gibt es eine Anekdote, einen besonderen Text, etwas, was ihr noch erzählen möchtet?

Alfons Huckebrink: Höchstens eine Idee: Wie wäre es mit der Einführung eines Unterrichtsfachs ‚Frieden‘? Der Vorschlag eines alten Kriegsdienstverweigerers.

Matthias Engels: Mich freut besonders zweierlei, obwohl das eine einen traurigen Hintergrund hat. Zum Einen konnten wir KollegInnen gewinnen, die sonst gerne das fehlende politische Engagement der Literaten in der Region und generell beklagen. Sie hatten sich oft andere Wege gesucht und publizieren hier nun doch wieder mit dem VS und anderen KollegInnen. Zum anderen enthält unsere Anthologie die vermutlich letzte Veröffentlichung des kürzlich verstorbenen Heinrich Peuckmann, der lange Jahre Geschäftsführer des PEN war und immer ein großer Streiter für die Sache der Literatur. Er war tatsächlich der erste Einsender, der uns großzügig seine Schublade öffnete und uns lauter unveröffentlichte Texte überließ. Während der Drucklegung ist er dann leider verstorben. 

Vielen Dank für das Interview!

Mehr zu den drei Herausgeber*innen und ihrem Schreiben:

Aus der Verlagsvorschau:

Frieden … kein Thema sollte wichtiger sein in diesen Zeiten. Zum 375. Jahrestag des Westfälischen Friedens zu Münster und Osnabrück im Jahr 2023 lud die Regionalgruppe Münsterland des Verbands deutscher SchriftstellerInnen (VS) AutorInnen aus ganz Westfalen ein, sich Gedanken zu machen: Wie sieht Frieden aus? Wie kann man ihn erreichen und wie dauerhaft sichern? Die westfälischen Schriftsteller beantworteten diese Fragen mit einer Fülle von Gedichten, Geschichten und anderen Textformen. Entstanden ist daraus eine Friedens-Anthologie aus Westfalen, die zum Weiterdenken anregt. Die den wichtigen Westfälischen Friedensschluss von damals in Beziehung setzt zu unserem offenbar doch nicht ganz so stabilen Frieden heute. Die aus den Geschehnissen von früher bis heute eine Utopie für morgen entwirft.

 Veranstaltungen rund ums Buch:

  • 24.08., 19,30 Uhr Münster, Buchhandlung Poertgen Herder, Salzstraße. Es lesen: Heide Bertram, Georg Veit, Frank Lingnau, Jürgen Flenker, Rudolf Gier und Jaqueline Thör. Matthias Engels moderiert. Karten 7 Euro.
  • 22.09., Recklinghausen, Stadtbibliothek. Es lesen: Gudrun Güth und Ellen Widmaier. Musikalische Begleitung kommt von Yeranuhin Stepanyan. Karten 5 Euro.
  • 27.09., 19 Uhr, Ev. Stadtkirche St. Georg, Lünen. Es lesen Alfons Huckebrink und Katja Angenent. Freier Eintritt.
  • 11.10., 19 Uhr, Auslandsgesellschaft Dortmund. Es lesen Matthias Engels und Katja Angenent. Freier Eintritt.
  • 24.10., Literaturhaus Dortmund. Es lesen Mitglieder des LiteraturRaumDortmundRuhr. Freier Eintritt.
  • 26.10., 19.30 Uhr, Kleiner Saal des Bürgerhauses Telgte. Es lesen Alfons Huckebrink und Matthias Engels.
  • 29.10., Alter Speicher, Laer Es lesen Katja Angenent, Matthias Engels und Alfons Huckebrink.

Angaben:

  • Vom Frieden. Texte westfälischer AutorInnen
  • Elsinor Verlag 2023
  • ISBN: 978-3-939483-72-4
  • © Titelbild: Elsinor Verlag (Gestaltung von Wienke Treblin)
  • © Porträtfoto: Holger Angenent

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