Postkartenkrimis schreiben

Postkartenkrimis sind Kürzestgeschichten, die auf eine Postkarte passen. Dabei funktionieren Kürzestkrimis anders als Kriminalromane. Es ist kein Raum für mehrere falsche Fährten, für ein großes Figurenensemble, für Alibis und Tathergänge, die einer Ermittlung lange standhalten. Bei Postkartenkrimis kommt es eher auf einen Überraschungseffekt am Ende an. Klischees und Humor / Doppeldeutigkeiten funktionieren gut, weil sie schnell Bilder hervorrufen.

Merkmale von Kurzgeschichten, speziell Kurzkrimis

  • offener Anfang: in medias res, keine Vorgeschichte / Erläuterungen
  • wenige Figuren: wenig Beschreibungen, manchmal keine Namen, prägnante Merkmale, ein zentraler Charakterzug, ruhig holzschnittartig
  • Momentaufnahme: entscheidende (Problem-)Situation der Hauptfigur
  • (räumlich) begrenzt: kein Wechsel von Ort und Zeit; oft nicht näher bestimmt – z. B. Gartenhaus, aber kein Stadt-Name o. Abenddämmerung, aber nicht Datum
  • oft lineare Erzählweise (kein Platz für Rückblicke und Zeitsprünge)
  • personale Erzählperspektive (sie/er oder ich)
  • einfacher Satzbau ohne komplexe Nebensatzstrukturen
  • Alltagssprache (gerne mit Dialog) und Doppeldeutigkeiten / Wortspiele
  • offener Schluss: Pointe, oft überraschend, meist nicht auserzählt

Je kürzer eine Geschichte, desto linearer sollte sie geschrieben sein.

Je kürzer ein Text, desto mehr arbeitet er mit Aussparungen und Andeutungen.

    Postkartenkrimis Mix Foto Maike FrieWie man gut ins Schreiben findet

Um Kürzesttexte zu schreiben, hilft oft ein sehr begrenzter Zeitrahmen. Schreibt gerne nur fünf Minuten. In einer Gruppe funktionieren viele Impulse, um Ideen zu sammeln, noch leichter, aber auch alleine lässt sich manches abwandeln und nutzen:

  • Stadt – Land – Irgendwas. Sammelt schnell und ohne viel Nachdenken Begriffe. Gerne auch humorvolle Wortkombinationen und Abwegiges. Bei Krimis ist es sinnvoll, diese oder ähnliche Kategorien zu verwenden: Verbrechen(sart), Täter*in, Opfer, Waffe, Motiv, Tatort
  • Ähnlich funktionieren Schreibspielmaterialien, wie z. B. die Geschichten-Erfinder-Karten aus der Collection Büchergilde (Kartenspielerei für kreative Köpfe)
  • Schaut euch jemanden in eurer Nähe an. Welches Vergehen könnte der- oder diejenige auf dem Kerbholz haben? Dabei ist es hilfreich, sich besondere Details herauszupicken: ein dicker Brillenbügel als Schmuggelort für Drogen, eine auffällige Brosche als Geheimzeichen für die XY-Gang, Farben an der Kleidung als Code für XYZ oder ein undefinierbarer Gegenstand, der aus einer Tasche ragt und sicherlich ein Tatwerkzeug ist.
  • Guckt euch in eurer Umgebung um. Welcher Gegenstand fällt als Erstes auf? Wie könnte der Teil eines Verbrechens sein?
  • Eine tatsächliche Postkarte an jemanden schreiben. Kniff: Ein (gemeinsames) Verbrechen andeuten, ohne sich eindeutig für etwas schuldig zu bekennen.

Um die Essenz aus den eigenen Texten zu bekommen, könnt ihr in zwei Runden die Mini-Geschichten noch mal jeweils um die Hälfte kürzen. Der kürzeste Text ist nicht unbedingt der beste, aber so kommt ihr euch selbst auf die Spur: Wo ist ein Adjektiv essentiell, wo eher überflüssig, welche Information möchtet ihr unbedingt drinhaben, welche führt auf Abwege?

Postkartenkrimi Maike Frie an die große Glocke hängenWas alles zu Kürzestgeschichten gehört

Es gibt eine Reihe von Namen. Die Definitionen – via Länge – sind nicht immer eindeutig, häufig überschneiden sich Begriffe.

  • Kurzgeschichten: rund 3 bis 20 Seiten
  • Kürzestgeschcihten: maximal 3 Seiten (4.500 Zeichen), oft auch Short Short Fiction genannt
  • Flash Fiction: ungefähr 250 bis 1.000 Wörter, auch Sudden Fiction oder Fast Fiction genannt. Darunter fallen auch Postkartenstorys mit rund 850 Wörtern.
  • Micro Fiction: ungefähr 10 bis 300 Wörter; dazu gehören Drabbles (Geschichten mit genau 100 Wörtern)
  • Nano Fiction: Texte mit weniger als 100 Wörtern. Gerne auch Tiny Tales (ursprünglich von Twitters 140 Zeichen inspiriert) oder Bierdeckelgeschichten genannt. Darunter finden sich viele lyrische Kurzformen wie Tanka, Zevenaar, Limerick, Haiku, Elfchen oder Leistenverse wie Akrostichon, Mesostichon und Telostichon.

Postkartenkrimi Gestaltungsmöglichkeit von Maike FrieWie sich Postkarten gut gestalten lassen

Texte können ausgedruckt und aufgeklebt (oder direkt auf eine Karte gedruckt werden) – oder mit der Hand geschrieben. Das hängt von den eigenen Vorlieben ab, aber natürlich auch von der Textlänge. Oder mit Textschnipseln aus Zeitschriften – so eine Collage passt zum Beispiel wunderbar zu einem Drohbriefszenario.

Schön ist, wenn die Postkarte jeweils einen Rahmen hat (der an passender Stelle gerne unterbrochen werden darf. Farben lassen sich auf den Inhalt abgestimmt gut einsetzen: schwarzes Papier oder rotes, rote Schrift oder eine rote Umrandung.

Bilder können gezeichnet oder ebenfalls ausgedruckt aufgeklebt werden. Eigene Zeichnungen oder mal ein roter Fingerabdruck können schöne Gestaltungselemente sein.

Postkartenkrimi Maike Frie auf den Arm nehmenRatgeber Flash Fiction und Krimis

  • Sabine Hartmann: Flash Fiction schreiben. Ein Lehr- und Arbeitsbüchlein für die Hosentasche. Verlag Hottenstein 2019. [Mini-Ratgeber, der alle Handwerkspunkte abhandelt und spezielle Schreibaufgaben für Kürzesttexte stellt.]
  • Susanne Buchberger: Nach drei Zeilen ist immer wer tot. 25 Kürzestkrimis und wie man lernt, treffend zu schreiben. Verlag punktgenau 2021. [Inspirierende Schreibaufgaben und Beispiel-Haikus.]
  • Christian Schärf: Spannend schreiben. Krimi, Mord- und Schauergeschichten. Duden-Verlag 2013. [Anhand von (historischen) Beispielen erläutert er Spannung, Angst, Aufklärung usw. Zur Übung gibt es passende Schreibaufgaben. Fundiert und gut lesbar geschrieben.]
  • Patricia Highsmith: Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt. Diogenes 1990 bzw. Neuauflage 2013. [Werkstattbuch. Anhand ihrer eigenen Schreiberfahrungen und mit Beispielen aus ihren Romanen handelt Highsmith Handwerks-Bausteine ab: Ideenkeim, Plot, Figuren, Spannung, …]
  • Elizabeth George: Wort für Wort oder Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben. Goldmann 2004. Neuauflage 2022. [Klassiker unter den Schreibratgebern; verfolgt den Schreibweg eines Romans anhand ihres eigenen Krimi-Schreibens.]
  • Stephen King: Das Leben und das Schreiben. Heyne 2011 (Neuauflage) [erzählt anhand seines eigenen Lebens- und Schreibwegs vom Schreibhandwerk]
  • Klaudia Blasl: 111 tödliche Pflanzen, die man kennen muss. Emons Verlag. [Wer sich für Giftmorde interessiert, findet hier viele Beispiele …]
  • Larry Beinhart: Crime. Kriminalromane und Thriller schreiben. Autorenhaus Verlag 2015. [amerikanischer Plauder-Stil]

Postkartenkrimi Maike Frie zu "kalte Füße bekommen"Links für interessierte Krimischreibende

  • Mörderische Schwestern – ein Netzwerk von Frauen, deren gemeinsames Ziel die Förderung der von Frauen geschriebenen, deutschsprachigen Kriminaltliteratur ist. Mit Lesetipps und Infos auf der Seite. Um Mitglied zu werden, muss frau nur an Krimis interessiert sein, sie nicht schreiben.
  • Syndikat – Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur. Mit Informationen und Buchempfehlungen auf der Seite.
  • Krimi-Couch – Rezensionen und Infos zu Kriminalliteratur, großartig sortiert nach Genre, Thema, Region, Zeit, Autor*innen.
  • Krimifrauen – Rezensionen zu von Frauen geschriebener Krimalliteratur
  • Sigrid Varduhn gibt (Online-)Kurse zu Flash Fiction
  • Christine Kämmer gibt (Online-)Kurse zu Flash Fiction / Microfiction
  • Münsteraner Kollegin Eva-Maria Lerche gibt ab und zu (Online-)Kurse zu Kürzestkrimis

Postkartenkrimi Maike Frie zu "aus dem Fenster werfen"Wo ihr Beispiele für Kürzeskrimis findet

Ausschreibungen für Krimis und Kürzestgeschichten

  • Arbeitsstipendium Mörderische Schwestern: nur für Frauen; für in Arbeit befindliche Kriminalromane oder Geschichtensammlungen; jeweils im Mai
  • Anne-Goldmann-Stipendium: nur für Frauen, für ein in Arbeit befindliches “mutiges Werk deutschsprachiger Kriminalliteratur”, jährlich
  • Glauser-Preis:für jeweils im Vorjahr in gedruckter Form und nicht im Selbstverlag erschienene Krimis; verschiedene Genres – auch Kurzkrimis
  • Deutscher Kurzkrimi-Preis: dotierter Kurzkrimipreis; Einsendefrist war jeweils im April – seit 2023 ausgesetzt, da das Festival überarbeitet wird

Mehr zu Ausschreibungen findet ihr generell unter Literaturport, bei Treffpunktschreiben, im Newsletter Tempest, im Newsletter der Autorenwelt bzw. auf der Internetseite der Autorenwelt sowie beim Geest-Verlag.

Weitere Schreibhandwerk-Artikel hier im Blog

Die Postkartenkrimis auf dieser Seite stammen von mir (Text und Gestaltung). Die wunderbare Illustration beim Titelbild mit Giraffe und Nashorn hat mein Bürokollege Volker Konrad erschaffen.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Kürzestgeschichten oder Postkartenkrimis gemacht? Erzählt gerne in den Kommentaren davon!

 

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